Rz. 63

Wie die in § 185 Nr. 1 bis 4 ZPO genannten Fallvoraussetzungen zeigen, ist die öffentliche Zustellung "das letzte Mittel" der Zustellung, wenn keine andere Möglichkeit besteht. Das bedeutet, dass alle Möglichkeiten durch Zustellungsversuche genutzt worden sein müssen, bevor zur öffentlichen Zustellung gegriffen wird[1]. § 185 Nr. 1–4 ZPO nennt Fallgruppen, in denen eine tatsächliche oder Ersatzzustellung tatsächlich oder rechtlich ausgeschlossen ist. Das ist der Fall, wenn der Aufenthaltsort des Adressaten unbekannt ist und eine Zustellung an einen Ort des Adressaten unbekannt ist und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist. Die einfache Auskunft der Meldebehörde (Einwohnermeldeamt), dass die Person unbekannt verzogen ist und ihren neuen Wohnsitz nicht gemeldet hat, reicht nicht. Nach dem Inkrafttreten der §§ 139a139d AO i. d. F. d. SteueränderungsG v. 15.12.2003[2] sowie der durch dasselbe Gesetz geänderten Vorschriften des Melderechts sind auch die danach gegebenen neuen Ermittlungsmöglichkeiten auszuschöpfen, ehe eine öffentliche Zustellung vorgenommen wird.

 

Rz. 64

Ist eine Zustellung im Ausland durchzuführen, ist sie jedoch aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich, oder verspricht sie keinen Erfolg, so ist ebenfalls eine öffentliche Zustellung möglich. Auch für die Auslandszustellung müssen alle Möglichkeiten bedacht und, wenn nur eine theoretische Möglichkeit besteht, versucht werden.

 

Rz. 65

Gem. § 18 GVG sind die Mitglieder der im Inland errichteten diplomatischen Missionen, ihre Familienmitglieder und ihre privaten Hausangestellten von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. Das Gleiche gilt nach § 20 GVG für andere Exterritoriale wie Repräsentanten anderer Staaten und ihre Begleitung, die sich auf amtliche Einladung der Bundesrepublik Deutschland im Inland aufhalten, und weitere durch völkerrechtliche Vereinbarungen gleichgestellte Personen. An die unter §§ 18, 20 GVG fallenden Personen kann in deren Wohnung keine Zustellung bewirkt werden. Auch in diesen Fällen muss öffentlich zugestellt werden.

 

Rz. 66

Die öffentliche Zustellung wird vom Prozessgericht[3] ohne mündliche Verhandlung bewilligt. Die durch Aushang an der Gerichtstafel geschehene Benachrichtigung muss die in § 186 Abs. 2 Nr. 1–4 ZPO genannten Angaben enthalten. Außerdem muss in ihr darauf hingewiesen werden, dass ein Schriftstück zugestellt wird und mit der Zustellung möglicherweise Fristen in Gang gesetzt werden. Auch bei der Zustellung einer Ladung muss die an der Gerichtstafel ausgehängte Benachrichtigung den Hinweis darauf enthalten, dass das Schriftstück eine Ladung zu einem Termin enthält und bei Versäumung des Termins Rechtsnachteile eintreten können.

 

Rz. 67

Der Vermerk nach § 186 Abs. 3 ZPO über den Zeitpunkt des Aushängens und der Abnahme der Benachrichtigung weist diese Fakten nach, ist jedoch beim Fehlen oder bei falschen Angaben für die Wirksamkeit der Zustellung unbedeutend[4].

 

Rz. 68

Das Prozessgericht kann, um das Recht des Adressaten auf rechtliches Gehör möglichst weitgehend zu gewährleisten, besonders und zusätzlich anordnen, dass die Benachrichtigung im elektronischen Bundesanzeiger oder in anderen Blättern zu veröffentlichen ist[5]. Dagegen besteht bisher keine Möglichkeit, die Benachrichtigung auf der Homepage des Gerichts zu veröffentlichen.

 

Rz. 69

Wird die Benachrichtigung zu früh von der Gerichtstafel abgehängt, ist die öffentliche Zustellung nach § 188 ZPO unwirksam, aber nach § 189 ZPO heilbar[6].

[1] BFH v. 9.8.2007, V B 149/06, BFH/NV 2007, 2310, BFH v. 13.3.2003, VII B 196/02, BFH/NV 2003, 1007 zur gleich geregelten öffentlichen Zustellung nach § 15 VwZG.
[2] BGBl I 2003, 2645.
[3] Senat des FG bzw. Einzelrichter nach §§ 6, 79a Abs. 14 FGO.
[4] Hartmann, in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Aufl. 2012, § 186 ZPO Rz. 109.
[6] Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 53 FGO Rz. 30; a. A. Hartmann, in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Aufl. 2012, § 188 ZPO Rz. 5.

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