Rz. 14

Die Nichtigkeitsfeststellungsklage nach § 41 Abs. 1 1. Hs. 2. Alt. FGO bezieht sich auf die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts. Die Nichtigkeitsfeststellungsklage ist begründet, wenn der angegangene Verwaltungsakt gem. § 125 AO einen besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler enthält.[1] Hintergrund ist das berechtigte Interesse des betroffenen Stpfl., den auch von einem nichtigen Verwaltungsakt ausgehenden Rechtsschein eines wirksamen Hoheitsakts zu beseitigen.

 
Praxis-Beispiel

Der Kläger beantragt, festzustellen, dass der ESt-Bescheid [Jahr] vom [Datum] nichtig ist.

Das besondere Feststellungsinteresse (Rz. 19) ist bei einem Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts deshalb gegeben, weil von einem nichtigen Verwaltungsakt der Rechtsschein der Wirksamkeit ausgehen kann und daher die Gefahr besteht, dass sich das FA bei unklarer Rechtslage eines nicht gegebenen Rechtsanspruchs berühmt.[2] Folgerichtig entfällt das Feststellungsinteresse, wenn die Finanzbehörde den nichtigen Verwaltungsakt aufhebt oder keine Gefahr der Vollstreckung aus dem nichtigen Steuerbescheid besteht und sich das FA auch entsprechend verhält.[3] Das Feststellungsinteresse ist ebenso zu verneinen, wenn der Stpfl. auch ohne eine gerichtliche Feststellung keine Gefährdung seiner Rechte befürchten muss, weil sowohl Festsetzungs- als auch Zahlungsverjährung eingetreten ist.[4] Fraglich ist derzeit, ob eine Nichtigkeitsfeststellungsklage betreffend eine Prüfungsanordnung auch dann noch zulässig ist, wenn zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits geänderte Steuerbescheide bzw. Feststellungsbescheide ergangen sind, die auf den Prüfungsfeststellungen beruhen und die aufgrund anhängiger Klageverfahren noch nicht bestandskräftig sind.[5] Da eine nichtige Prüfungsanordnung gem. § 124 Abs. 3 AO aber keine Rechtswirkungen entfaltet, kann sich der Stpfl. auf die Nichtigkeit auch noch im Rahmen der Anfechtung der aufgrund der Prüfungsfeststellungen erlassenen Steuerbescheide berufen, sodass es eines besonderen Feststellungsverfahrens nicht mehr bedurfte.[6] Unter prozessökonomischen Gründen ist ein Feststellungsverfahren nicht mehr zu rechtfertigen.[7]

 

Rz. 15

Die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts kann allerdings weder mit der allgemeinen Feststellungsklage noch mit der Nichtigkeitsfeststellungsklage festgestellt werden, sondern ist nur im Wege der Anfechtungsklage geltend zu machen, und gegen die rechtswidrige Ablehnung des Erlasses eines Verwaltungsakts ist nur die Verpflichtungsklage gegeben.[8] Lediglich unter den besonderen Voraussetzungen der sog. Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 100 Abs. 1 S. 4 FGO kann die Rechtswidrigkeit ausnahmsweise in festgestellt werden.[9]

 

Rz. 16

Soweit die Abgrenzung der Nichtigkeit von der bloßen Anfechtbarkeit des Verwaltungsakts wegen dessen Rechtswidrigkeit in der Praxis aber oftmals nicht unerhebliche Schwierigkeiten bereitet, empfiehlt es sich – aus Rechtsschutzgründen – auch einen vermeintlich nichtigen Verwaltungsakt mit der ebenso zulässigen Anfechtungsklage anzugreifen.[10] Allerdings ist die Anfechtungsklage fristgebunden und erfordert ein Vorverfahren.[11] Obgleich die Anfechtungsklage gegen einen nichtigen Verwaltungsakt zulässig ist und insoweit auch für den vorläufigen Rechtsschutz empfehlenswert ist (vgl. Rz. 47), wird die Nichtigkeitsfeststellungsklage nicht durch den Grundsatz der Subsidiarität ausgeschlossen (vgl. Rz. 42). Die Nichtigkeitsfeststellungsklage ist wegen der Identität des Streitgegenstands aber unzulässig, wenn bereits (kumulativ) eine Anfechtungsklage erhoben wurde.[12] Der Kläger kann aber bei Unsicherheiten über die Zulässigkeit der Anfechtungsklage beide Klagebegehren im Wege einer eventuellen Klagehäufung verbinden.[13] Hat der Kläger gegen einen nichtigen oder unwirksamen Verwaltungsakt erfolgreich eine Anfechtungsklage erhoben, wird der Bescheid allerdings nicht antragsgemäß aufgehoben, sondern die Nichtigkeit bzw. Unwirksamkeit dieses Bescheides festgestellt und die Einspruchsentscheidung aufgehoben.[14] Sofern allerdings über die Nichtigkeit des Verwaltungsakts bereits im Rahmen einer Anfechtungsklage rechtskräftig entschieden worden ist, ist die erneute Klage wegen Feststellung der Nichtigkeit desselben Verwaltungsakts wegen der gem. § 110 FGO entgegenstehenden Rechtskraft unzulässig.[15] Ein erfolgloses Einspruchsverfahren ohne anschließende Anfechtungsklage steht der Nichtigkeitsfeststellungsklage allerdings nicht entgegen.[16]

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