Rz. 88

Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 Alt. 3 AO sind Wirtschaftsgüter bei Eigenbesitz dem Eigenbesitzer zuzurechnen. Der Begriff des Eigenbesitzes ist aus dem Zivilrecht übernommen worden. Nach § 872 BGB ist Eigenbesitzer, wer eine Sache als ihm gehörend besitzt. Eigenbesitz i. d. S. kann als unmittelbarer oder als mittelbarer Besitz[1] und auch in der Form des Mitbesitzes neben dem zivilrechtlichen Eigentümer ausgeübt werden.[2]

Während sich der zivilrechtliche Begriff des Eigenbesitzes auf Sachen, d. h. auf körperliche Gegenstände[3], beschränkt, erstreckt sich der steuerrechtliche Begriff des Eigenbesitzes auf Wirtschaftsgüter aller Art.[4] Seine Anwendung ist jedoch auf die Art des jeweils betroffenen Wirtschaftsguts abzustimmen. Geht es um bloße Kapitalforderungen, so ist der Vorschrift auch in der Alternative des Eigenbesitzes keine andere Art der Zurechnung zu entnehmen, als sie mit der Dispositionsbefugnis beschrieben wird.[5]

 

Rz. 89

Der Eigenbesitz setzt sowohl objektive als auch subjektive Tatbestandsmerkmale voraus. Objektiv ist die Herrschaft über das Wirtschaftsgut erforderlich, die durch den Besitz ausgedrückt wird. Als subjektiver Umstand wird ein Herrschaftswille gefordert, der sich darauf richtet, das Wirtschaftsgut wie ein Eigentümer bzw. wie ein Berechtigter zu besitzen.[6] Wegen der Voraussetzung der tatsächlichen Herrschaft ist ein rückwirkender Erwerb des Eigenbesitzes ebenso wenig möglich wie seine rückwirkende Beseitigung.[7]

 

Rz. 90

Der Zurechnungstatbestand des Eigenbesitzes ist nur ein Beispiel für den in § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO normierten allgemeinen Rechtsgedanken, dass ein anderer als der rechtliche Eigentümer wirtschaftlicher Eigentümer ist, wenn er diesen auf Dauer von der wirtschaftlichen Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen kann.[8] Das Tatbestandsmerkmal des Eigenbesitzes ist praktisch nur von Bedeutung bei durch Diebstahl oder Unterschlagung "unwiederbringlich" erlangten Wirtschaftsgütern oder bei missglückter Übereignung, kann aber nicht abweichend von den Grundsätzen des § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO beim Nutzungsberechtigten wirtschaftliches Eigentum begründen.[9]

Rz. 91 einstweilen frei.

[2] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 39 AO Rz. 51f.; Koenig/Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 39 Rz. 65; BFH v. 30.11.1984, III R 121/83, BStBl II 1985, 451; BFH v. 27.11.1996, X R 92/92, BStBl 1998, 97.
[4] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 39 AO Rz. 51; BFH v. 26.1.2011, VIII R 14/10, BFH/NV 2011, 1512, Rz. 19.
[7] Ebenso Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 39 AO Rz. 53.

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