1 Allgemeines

 

Rz. 1

Die Bestimmung entspricht im Wesentlichen § 335 RAO.[1] Für das zivilprozessuale Vollstreckungsrecht gibt es in §§ 758, 758a ZPO entsprechende Bestimmungen.[2] Ausführliche Ergänzungen zu § 287 AO finden sich in Abschn. 28 bis 31 VollzA.[3] Die Norm regelt im Einzelnen verschiedene Befugnisse, die Vollziehungsbeamte bei der Ausführung von Vollstreckungshandlungen haben, sowie das Erfordernis einer richterlichen Durchsuchungsanordnung. Der Sinn und Zweck der Bestimmung ist zum einen insbesondere darin zu sehen, die Möglichkeiten der Vollstreckung in Sachen zu verbessern und oftmals erst zu ermöglichen; zum anderen wird mit der Norm dem besonderen Schutz, unter den Wohn- und Geschäftsräume durch Art. 13 GG gestellt sind, Rechnung getragen.[4] Dies geschieht dadurch, dass Durchsuchungen von Wohn- und Geschäftsräumen grundsätzlich nur mit einer richterlichen Anordnung erfolgen dürfen.

 

Rz. 2

Im Einzelnen finden sich in § 287 AO folgende Befugnisse von Vollziehungsbeamten geregelt:

  • das Betreten von Wohn- und Geschäftsräumen zum Zweck der Durchführung von Vollstreckungshandlungen[5];
  • das Durchsuchen von Wohn- und Geschäftsräumen[6];
  • das Durchsuchen von Behältnissen[7];
  • das Öffnen von Türen und Behältnissen[8];
  • der Einsatz von Gewalt[9].

Darüber hinaus sind in § 287 Abs. 4 bis 6 AO Bestimmungen niedergelegt, die das Erfordernis einer richterlichen Anordnung und die Ausnahmen von diesem Erfordernis regeln. Zu beachten ist, dass sämtliche Befugnisse nur ausgeübt werden dürfen, um Vollstreckungsmaßnahmen in Sachen durchzuführen. Dies ergibt sich aus der Stellung des § 287 AO in der AO. Die Vollstreckungsmaßnahmen können Maßnahmen der Pfändung, der Abholung oder der Versteigerung sein. Nicht zulässig ist es, diese Maßnahmen durchzuführen, um etwa Bücher einzusehen[10] oder anderweitige Vollstreckungsmöglichkeiten erst zu ermitteln.

[1] Zur Historie vgl. Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 287 AO Rz. 1ff.
[2] Seibel, in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 758a ZPO Rz. 2f.
[3] BStBl I 1980, 194.
[4] Hierzu ausführlich Papier, in Maunz/Dürig, GG, Art. 13 GG Rz. 1ff.; Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 287 AO Rz. 15ff.
[7] § 287 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 AO.
[10] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 287 AO Rz. 5.

2 Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen

 

Rz. 3

§ 287 AO gibt die Rechtsgrundlage für das Durchsuchen von Wohn- und Geschäftsräumen. Normiert werden in § 287 AO aber gleichzeitig auch die Voraussetzungen, die für diese Durchsuchungen erfüllt sein müssen. Hierbei ist zunächst zu beachten, dass das reine Betreten von dem Durchsuchen zu unterscheiden ist.[1] Ferner unterliegen Wohnräume einerseits und Geschäftsräume andererseits einem unterschiedlichen Schutz. Das reine Betreten von Wohnräumen ist ebenso geschützt wie das Durchsuchen, das Betreten von Geschäftsräumen unterliegt jedoch geringeren Anforderungen als das Durchsuchen. Zwar ist heute allgemein anerkannt, dass auch Geschäftsräume aufgrund des weiten Wohnungsbegriffs unter den Art. 13 GG fallen, doch ist der Schutz unterschiedlich ausgestaltet, da diesen eine größere Offenheit nach außen aufweisen sollen als Wohnungen.[2]

 

Rz. 4

Unter Betreten ist das körperliche Eindringen in die Wohn- oder Geschäftsräume zu verstehen, wobei es auf die Absicht des Betretenden nicht ankommt. Durchsuchen ist hingegen das Betreten der Räume, um auf diese Weise ziel- und zweckgerichtet Gegenstände aufzuspüren, die der Inhaber der Räume von sich aus nicht offen legt oder herausgibt.[3] Durchsuchen setzt also ein aktives Tun des Durchsuchenden voraus, um etwas zu finden, was nicht offen zutage liegt. Demgegenüber liegt keine Durchsuchung vor, wenn lediglich Gegenstände in Augenschein genommen oder vom Inhaber der Räume freiwillig herausgegeben werden. Dann handelt es sich um ein reines Betreten, nicht um ein Durchsuchen. Zu einem Durchsuchen kommt es erst dann, wenn der Vollziehungsbeamte an Stellen nachsieht, die nicht ohne Weiteres zugänglich sind.[4] Das Durchsuchen stellt damit einen stärkeren Eingriff in die grundrechtlich geschützte Privatsphäre des Vollstreckungsschuldners dar als das Betreten.

[1] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 287 AO Rz. 38.
[2] Klein/Werth, AO, 15. Aufl. 2020, § 287 Rz. 8.
[3] BVerfG v. 3.4.1979, 1 BvR 994/76, BStBl II 1979, 601; ausführlich zur Rechtsprechung des BVerfG: Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 287 AO Rz. 11ff.

2.1 Wohnräume

 

Rz. 5

Wohnräume unterliegen dem besonderen Schutz des Art. 13 GG. Der Begriff der Wohnung umfasst hierbei sämtliche zu Aufenthaltszwecken geeigneten und bestimmten Räumlichkeiten.[1] Hierzu zählen neben den eigentlichen Aufenthalts- und Arbeitsräumen die den Bewohnern dienenden Nebenräume (Flur, Keller, Dachboden usw.) sowie die weiteren umfriedeten Besitztümer wie insbesondere der Garten und eine Terrasse.[2] Der Begriff der Wohnung ist damit weit anzulegen. Insbesondere fällt unter diesen Begriff auch eine privat genutzte Garage, die in unmittelbarer Nähe zur eige...

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