Rz. 10

Der Zahlungsverjährung unterliegt der einheitliche Steuer-, Vergütungs- bzw. Erstattungsanspruch, wie er kraft Gesetzes entstanden und nicht durch Ablauf der Zahlungsverjährung erloschen ist. Wird eine Steuer unrichtig, d. h. zu hoch oder zu niedrig festgesetzt und ist die Steuerfestsetzung nicht mehr änderbar, unterliegt der nur formell bestehende Zahlungs-, Vergütungs- oder Erstattungsanspruch aus dieser Festsetzung der Zahlungsverjährung. Das bedeutet, dass ein den jeweiligen Stpfl. betreffender Zahlungs-, Vergütungs- oder Erstattungsanspruch aus der jeweiligen Steuerart und dem jeweiligen Besteuerungszeitraum grundsätzlich nur einheitlich der Zahlungsverjährung unterliegen kann.

Der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis ist also bei mehrfacher Änderung der Steuerfestsetzung nicht in einzelne Steuererstattungsansprüche, wenn die Steuer niedriger und Steueransprüche, wenn sie höher festgesetzt wird, aufzuspalten. Mittelbar ergibt sich das bereits aus § 229 Abs. 1 S. 2 AO, in dem eine Anlaufhemmung für die Zahlungsverjährung bei einer Änderung, Aufhebung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung enthalten ist. Diese Vorschrift ist nur verständlich, wenn auf den Steuer-, Vergütungs- bzw. Steuererstattungsanspruch als Ganzes abgestellt wird. Damit ist eine unterschiedliche Zahlungsverjährung der "aufgespaltenen" Teile des Anspruchs nicht vereinbar.[1]

Mit dem durch das JStG 2022[2] eingefügten S. 3 des § 229 Abs. 1 AO ist dies nun entschieden und ausdrücklich normiert.[3] Die Anlaufhemmung des § 229 Abs. 1 S. 2 und 3 AO verhindert, dass es dadurch zu Verwerfungen kommt, dass der Beginn der Zahlungsverjährungsfrist an die "erstmalige" Fälligkeit anknüpft. Bei Änderung, Aufhebung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung beginnt die Zahlungsverjährung aufgrund der Anlaufhemmung erst mit der Fälligkeit aufgrund des letzten Änderungs-, Aufhebungs- oder Berichtigungsbescheids.

 

Rz. 11

Wird ein Einkommensteuerbescheid innerhalb der Festsetzungsfrist geändert, ist im Umfang dieser Änderung auch die mit dem Änderungsbescheid verbundene Anrechnungsverfügung anzupassen, ohne dass dem bis dahin eventuell bereits abgelaufene Zahlungsverjährungsfristen bzgl. früher entstandener Ansprüche aus diesem Besteuerungsverfahren entgegenstehen könnten. Zwar haben die Vorschriften über die Festsetzungsverjährung selbst keine Wirkung auf die mit dem Steuerbescheid verbundene Anrechnungsverfügung, da diese ein VA des Erhebungsverfahrens ist. Dem Steuerbescheid ist aber eine einem Grundlagenbescheid ähnliche bindende Wirkung für ihm folgende Anrechnungs- bzw. Abrechnungsbescheide eigen, die dann innerhalb der mit der Bekanntgabe des Steueränderungsbescheids erneut in Lauf gesetzten Zahlungsverjährungsfrist des § 228 AO, zu erlassen sind.[4]

§ 231 Abs. 4 AO regelt einen grundsätzlich anderen Tatbestand, da er sich auf Unterbrechungshandlungen bezieht, die sich naturgemäß auf Teilansprüche richten können und sollen.[5] Dies erfordert eine durch Unterbrechungshandlungen erzielbare Teilzahlungsverjährung. Die folgerichtige Rechtsfolge des § 231 Abs. 4 AO ist aber auf Steuerfestsetzungen und deren nachfolgende Änderung oder Berichtigung gerade nicht übertragbar und führt dementsprechend auch nicht zu einer eventuellen Teilverjährung der Ansprüche.[6] Er steht der einem Grundlagenbescheid ähnlichen Wirkung der Steuerfestsetzung auf die Anrechnungsverfügung nicht entgegen. Diese Rechtsauffassung wurde vom Gesetzgeber mit der Einführung des § 229 Abs. 1 S. 3 AO bestätigt. Der geänderte Bescheid verliert mit dem Änderungsbescheid vielmehr in vollem Umfang und nicht nur teilweise seine Wirkung. Mit der durch die geänderte Steuerfestsetzung angepassten Anrechnungsverfügung wird dementsprechend der Betrag der Abschlusszahlung oder -erstattung im Ganzen neu festgesetzt und nicht nur ein gegenüber der geänderten Anrechnungsverfügung geänderter Betrag.[7]

 

Rz. 12

Zahlungsverjährung konnte vor Einfügung des § 230 Abs. 2 S. 1 AO durch das JStG 2022[8] auch während eines Rechtsstreits über die Steuerfestsetzung eintreten, da durch die Rechtshängigkeit, anders als bei der Festsetzungsverjährung[9], keine Hemmung der Zahlungsverjährung eintrat.[10] Dies hat insoweit und auch für noch laufende Gerichtsverfahren weiterhin Bedeutung, da Art. 97 § 14 Abs. 6 EGAO normiert, dass die durch das JStG 2022 eingefügten Regelungen erst für alle am 21.12.2022 noch nicht abgelaufenen Zahlungsverjährungsfristen gelten. Eine bei Inkrafttreten der Rechtsänderung bereits eingetretene Zahlungsverjährung wird also nicht durchbrochen.[11]

Die Steuerverwaltung hatte es dementsprechend aber in der Hand, während eines Rechtsstreits für die Unterbrechung der Zahlungsverjährung taugliche Handlungen vorzunehmen.[12]

 

Rz. 13

Beginn, Dauer und Ablauf der Zahlungsverjährungsfrist sind für jeden Anspruch selbstständig und unabhängig von anderen Ansprüchen gegen denselben oder einen anderen Schuldner zu bestimmen. Lauf und Ablauf der Zahlungsverjährung für Nebenansprüche sind also unabhäng...

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