Rz. 1

Im Allgemeinen steht es der Finanzbehörde frei, von mehreren für die Amtshilfeleistung in Betracht kommenden Behörden eine auszusuchen. Sie hat allerdings § 112 Abs. 3 Nr. 1 AO zu beachten. Diese Vorschrift enthält den Gedanken, dass die Behörde um die Amtshilfe zu bitten ist, die sie am einfachsten und mit dem geringsten Aufwand leisten kann.

 

Rz. 2

Als zusätzliche Leitregel sieht § 113 AO für die Auswahl vor, dass möglichst eine Behörde der untersten Verwaltungsstufe des Verwaltungszweigs der ersuchenden Finanzbehörde zu wählen ist. Dies ist jedoch nur eine Ermessensvorschrift, nach der grundsätzlich die Inanspruchnahme einer Behörde der untersten Verwaltungsstufe in Betracht gezogen werden soll.[1] Will die ersuchende Behörde von diesem Grundsatz im Einzelfall abweichen, so muss sie ihre Ermessenserwägungen begründen. Anderenfalls ist i. d. R. von einer fehlenden Praktikabilität i. S. d. § 112 Abs. 3 Nr. 1 AO auszugehen, sodass die ersuchte Behörde, die nicht auf der untersten Verwaltungsstufe steht, das Ersuchen ablehnen kann.[2] Die Vorschrift enthält damit zwei Regeln zum Vorrang[3]:

  • Erstens soll möglichst die unterste Verwaltungsstufe gewählt werden, weil diese gegenüber einer höheren Stufe die größere Orts- und Sachnähe und die daraus folgenden Kenntnisse und Erfahrungen hat.
  • Zweitens soll möglichst derselbe Verwaltungszweig der Finanzverwaltung (Landes- oder Bundesfinanzverwaltung) gewählt werden. Für diese Auswahl spricht bereits, dass die ersuchte Behörde nach § 114 AO bei der Durchführung des Ersuchens die gleichen Befugnisse wie die ersuchende Finanzbehörde hat. Ein FA, eine OFD oder eine oberste Landesfinanzbehörde soll also möglichst ein anderes FA, ein Hauptzollamt usw. ein anderes Hauptzollamt bzw. Zollamt ersuchen. Hierbei ist allerdings der Dienstweg einzuhalten.
 

Rz. 3

Welcher der beiden Gesichtspunkte Vorrang hat, kommt in der Vorschrift nicht zum Ausdruck. Kommt keine Behörde der untersten Verwaltungsstufe der Finanzverwaltung in Betracht, so steht es deshalb der ersuchenden Finanzbehörde frei, eine Finanzbehörde der nächsten Stufe oder die unterste Behörde eines anderen Verwaltungszweigs um Hilfe zu bitten. Entscheidend hierfür werden die größere Sachnähe und der Gedanke des § 112 Abs. 3 Nr. 1 AO sein.

 

Rz. 4

§ 113 enthält abweichend von § 112 Abs. 5 AO keine Regelung dazu, wie bei Meinungsverschiedenheiten zwischen ersuchender Finanzbehörde und ersuchter Behörde zu verfahren ist, insbesondere wer die Entscheidung zu treffen hat. Aus diesem Fehlen ist abzuleiten, dass die ersuchte Behörde nicht berechtigt sein soll, einen Verstoß gegen § 113 AO oder gar gegen den von der ersuchenden Finanzbehörde gewählten Vorrang zu rügen.[4] Ihr bleibt allein die Geltendmachung des § 112 Abs. 3 Nr. 1 AO.

 

Rz. 5

Ein Verstoß gegen § 113 AO hat weder Rechtsfolgen, noch kann er mit Rechtsmitteln angefochten werden, da es sich um eine reine verwaltungsinterne Maßnahme handelt, die den Grundsatz der Verfahrensökonomie zum Ausdruck bringt.[5] In der Folge führt ein solcher Verstoß auch nicht zur Rechtswidrigkeit der Amtshilfe, der durch die ersuchte Behörde ergriffenen Maßnahmen oder des aufgrund der geleisteten Amtshilfe erlassenen Verwaltungsakts.[6]

[1] Ebenso Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 113 AO Rz. 1.
[2] Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 113 AO Rz. 21f.; für die wortgleiche Vorschrift im VwVfG Schmitz, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 6 VwVfG Rz. 4.
[3] Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 113 AO Rz. 11.
[4] Ebenso Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 113 AO Rz. 3; Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 113 AO Rz. 21ff.
[5] Für die wortgleiche Vorschrift im VwVfG Schmitz, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 6 VwVfG Rz. 3 u. 6.
[6] Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 113 AO Rz. 2; Klein/Rätke, AO, 15. Aufl. 2020, § 113 Rz. 1; Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 113 AO Rz. 21

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