1 Allgemeines

1.1 Bedeutung

 

Rz. 1

Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet in den in § 33 FGO aufgezählten Angelegenheiten finanzgerichtlichen Rechtsschutz gegen das Verhalten der Finanzbehörde (Vor § 1 FGO Rz. 2, 10). Dieser Rechtsschutz des Einzelnen wird im Interesse der Allgemeinheit an der Herstellung des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit durch die gesetzliche Regelung von Klagefristen für die hauptsächlich erhobenen Klagearten (Rz. 3) eingeschränkt (§ 54 FGO Rz. 1). Diese Einschränkung des Rechtsschutzes ist rechtlich unbedenklich[1].

 

Rz. 2

Die Einhaltung der Klagefrist ist Sachentscheidungsvoraussetzung für die gerichtliche Entscheidung, die das Gericht in jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen zu beachten hat (Vor §§ 4050 FGO Rz. 2), also auch in der Revisionsinstanz[2]. Bei Nichteinhaltung ist die Klage durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen (Rz. 14).

[1] Vgl. Vor §§ 4050 FGO Rz. 1; Steinhauff, in HHSp, AO/FGO, § 47 FGO Rz. 17 m. w. N.

1.2 Anwendungsbereich

 

Rz. 3

Die Klagefrist besteht nach § 47 Abs. 1 FGO nur für die verwaltungsaktbezogene Anfechtungsklage und die Verpflichtungsklage (§ 40 FGO Rz. 2). Sie besteht bei diesen Klagearten auch für die Klageänderung[1], hierauf kann auch durch rügelose Einlassung der Behörde nicht verzichtet werden.

 

Rz. 3a

Die Einhaltung der Klagefrist ist auch für die an eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage (Rz. 3) anschließende Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 100 Abs. 1 S. 4 FGO erforderlich, wenn sich der Verwaltungsakt, dessen Rechtswidrigkeit behauptet wird, nach der Erhebung der Anfechtungsklage erledigt hat[2]. Die Klagefrist besteht dagegen nicht, wenn sich der Verwaltungsakt vor der Erhebung der Anfechtungsklage erledigt hat und eine nachgezogene Fortsetzungsfeststellungsklage erhoben wird (§ 100 FGO Rz. 49).

 

Rz. 3b

Die Klagefrist gilt auch, wenn die Klage in der Form der Sprungklage erhoben wird (§ 45 FGO Rz. 6).

 

Rz. 4

Die Klagefrist besteht nach §§ 47, 55 FGO i. V. m. §§ 4446 FGO dagegen nicht für

  • die Untätigkeitsklage nach § 46 FGO (§ 46 FGO Rz. 13, 14);
  • die Leistungsklage nach § 40 Abs. 1 FGO, mit der eine sonstige Leistung begehrt wird, die nicht in dem Erlass eines Verwaltungsakts besteht (§ 40 FGO Rz. 26);
  • die Feststellungsklage nach § 41 FGO, auch für die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts (§ 41 FGO Rz. 5). Wird die Feststellungsklage allerdings in Form einer Anfechtungsklage (Rz. 3) gegen einen Verwaltungsakt erhoben, dessen Nichtigkeit geltend gemacht wird, so findet § 47 FGO Anwendung[3].

2 Dauer der Klagefrist

2.1 Grundsatz

 

Rz. 5

Die Klagefrist für die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (Rz. 2) beträgt nach § 47 Abs. 1 S. 1 FGO grundsätzlich (Rz. 6) einen Monat. Diese Frist entspricht auch der Klagefrist für sonstige öffentlich-rechtliche Rechtsstreitigkeiten nach § 74 VwGO und § 84 SGG.

2.2 Sonderregelungen

 

Rz. 6

Die in § 47 FGO getroffene Grundsatzregelung (Rz. 5) wird durch § 55 FGO ergänzt und modifiziert. Die beiden Vorschriften sind insoweit als Regelungseinheit anzusehen.

 

Rz. 7

Die Dauer der regulären Klagefrist (Rz. 5) ist letztlich abhängig von der Form des Verwaltungsakts:

  • Die reguläre einmonatige Klagefrist besteht uneingeschränkt nur für Verwaltungsakte, die nicht in Schriftform ergangen sind (§ 55 FGO Rz. 8).
  • Die reguläre einmonatige Klagefrist ist für schriftliche und elektronische Verwaltungsakte gem. § 55 FGO von dem Vorhandensein und der Richtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung abhängig. Fehlt die Rechtsbehelfsbelehrung oder ist sie unrichtig erteilt, so verlängert sich die Klagefrist auf ein Jahr.
 

Rz. 7a

Weitere Sonderregelungen für die Dauer der Klagefrist ergeben sich aus:

  • § 367 Abs. 2b AO ermöglicht es der Finanzbehörde, anhängige Einspruchsverfahren statt durch eine förmliche Einspruchsentscheidung im Einzelfall[1] durch eine Allgemeinverfügung[2] zurückzuweisen. Diese gilt nach § 367 Abs. 2a S. 1 AO als Zurückweisung des Einspruchs als unbegründet[3]. Sie ist demgemäß ein gegen den jeweiligen Einspruchsführer gerichteter Verwaltungsakt[4]. Dieser kann jetzt in seiner Sache ggf. diese Entscheidung wie eine normale Einspruchsentscheidung mit der Klage angreifen[5]. Nach § 367 Abs. 2b S. 5 AO beträgt, abweichend von § 47 FGO, die Klagefrist ein Jahr.
 

Rz. 8

  • § 172 Abs. 3 AO ermöglicht es der Finanzbehörde, Anträge auf schlichte Änderung statt durch eine Entscheidung im Einzelfall durch eine Allgemeinverfügung[6] zurückzuweisen. Nach § 348 Nr. 6 AO ist in den Fällen des § 172 Abs. 3 AO der Einspruch nicht statthaft (§ 44 FGO Rz. 4f.). Dadurch, dass eine höchstrichterliche Entscheidung ergangen ist, erübrigt sich für diese Rechtsfrage die Durchführung des grundsätzlich erforderlichen Einspruchsverfahrens, sie wäre lediglich ü...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge