1 Grundlagen

 

Rz. 1

Nach § 448 RAO als Vorgängervorschrift des § 411 AO war der Erlass eines Bußgeldbescheids wegen einer Steuerordnungswidrigkeit gegen einen Rechtsanwalt, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer davon abhängig, dass gegen ihn zuvor eine ehren- oder berufsgerichtliche Maßnahme verhängt oder ihm durch den Vorstand der Berufskammer eine Rüge erteilt worden war. Der Sinn dieser problematischen Regelung lag darin, den Anschein zu vermeiden, die Tätigkeit der Angehörigen der steuerberatenden Berufe werde durch die Finanzbehörde beaufsichtigt.[1] Dadurch wurde jedoch den Ehren- und Berufsgerichten die Entscheidung darüber übertragen, ob der auch dem Ordnungswidrigkeitenrecht zugrunde liegende staatliche Strafanspruch verwirklicht werden konnte. Dies war auch unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes des Art. 3 GG problematisch.[2]

Diesen rechtlichen Bedenken trug der Gesetzgeber mit § 411 AO dadurch Rechnung, dass er lediglich ein Anhörungsrecht der Berufskammer statuierte. Der Erlass eines Bußgeldbescheids wegen einer Steuerordnungswidrigkeit gegen einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe setzt somit verfahrensrechtlich lediglich voraus, dass der zuständigen Berufskammer eine Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt wurde. Allerdings ist auch diese Regelung trotz der Nähe zu den §§ 115b BRAO, 92 StBerG aufgrund ihrer im Ordnungswidrigkeitenrecht einzigartigen Ausgestaltung der Mitwirkung berufsständischer Vertretung inhaltlich nicht unproblematisch.[3]

 

Rz. 2

Der Zweck des § 411 AO liegt darin, den Sachverstand der Berufskammern für das Bußgeldverfahren nutzbar zu machen.[4] Es besteht mithin für die Finanzbehörde die Möglichkeit, die durch die Berufskammern ggf. vorgebrachten Gesichtspunkte bzgl. der praktischen Tätigkeit der jeweiligen Kammermitglieder und ihrer betrieblichen Arbeitsabläufe in ihre Entscheidungen einzubeziehen.[5]

[1] BT-Drs. V/2928, 4.
[2] Vgl. zur Kritik Bock, DB 1968, 1332; Henneberg, BB 1968,911; Lohmeyer, DStR 1974, 681.
[3] Vgl. im Einzelnen Bilsdorfer, DStR 1983, 26, 27; Rüping, in HHSp, AO/FGO, § 411 AO Rz. 4; Lipsky, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 411 AO Rz. 10.
[4] Vgl. BT-Drs. 7/4292, 48.
[5] Lipsky, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 411 AO Rz. 3.

2 Anwendungsbereich

 

Rz. 3

Der persönliche Anwendungsbereich des § 411 AO ist beschränkt auf

  • Rechtsanwälte,
  • Steuerberater,
  • Steuerbevollmächtigte,
  • Wirtschaftsprüfer und
  • vereidigte Buchprüfer.

Die Aufzählung in § 411 AO ist abschließend; die Norm ist somit auf andere Berufsgruppen nicht anwendbar. Dies gilt auch für die gem. § 4 StBerG zur (beschränkten) Hilfeleistung in Steuersachen befugten Personen, wie z. B. die von § 4 Nr. 1 StBerG erfassten Notare.[1]

§ 411 AO ist hingegen auch anwendbar im Falle gleichzeitiger Zugehörigkeit zu mehreren der genannten Berufe (etwa als Rechtsanwalt und Steuerberater). Gehört der Betroffene allerdings mehreren Berufskammern an, ist jeder von ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

Die Gelegenheit zur Stellungnahme ist der jeweils zuständigen Berufskammer einzuräumen. Bei den zuständigen Kammern handelt es sich um

§ 411 AO ist allerdings lediglich in dem durch die Finanzbehörde betriebenen Bußgeldverfahren anwendbar. Im durch die Finanzbehörde geführten Strafverfahren und im gerichtlichen Straf- oder Bußgeldverfahren ist dies hingegen nicht der Fall.[2] Dasselbe gilt, wenn das Bußgeldverfahren durch die Finanzbehörde eingestellt wird.

[1] Deshalb krit. Lipsky, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 411 AO Rz. 4.
[2] Ebenso Rüping, in HHSp, AO/FGO, § 411 AO Rz. 9, Hilgers-Klautzsch, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 411 AO Rz. 3, Lipsky, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 411 AO Rz. 5.

3 Die Voraussetzungen für die Anhörung der Berufskammer

 

Rz. 4

Materiell-rechtliche Voraussetzung für die Anhörung nach § 411 AO ist die Begehung einer Steuerordnungswidrigkeit i. S. d. § 377 AO.[1] Verstöße gegen Berufs- oder Standespflichten werden von § 411 AO nicht erfasst.

 

Rz. 5

Der Täter der Steuerordnungswidrigkeit muss ferner in Ausübung seines Berufs gehandelt haben. Dies ist nicht nur der Fall, wenn er entsprechend der Vorschriften des einschlägigen Berufsrechts tätig wird, sondern auch, wenn er durch wiederholte Übernahme bestimmter Aufgaben zu erkennen gibt, dass die Erfüllung solcher Aufgaben Inhalt seines Beschäftigungsbereichs ist.[2] Private oder persönliche Gefälligkeiten werden vom Tatbestand des § 411 AO hingegen nicht erfasst. Die Differenzierung zwischen beruflichen und außerberuflichen Tätigkeiten ergibt sich nicht allein aus der (Un-)Entgeltlichkeit des Tätigwerdens, hierin ist jedoch zumindest ein starkes Indiz zu sehen.[3] Handlungen "bei Gelegenheit" einer Hilfeleistung in Steuersachen werden von § 411 AO nicht erfasst.[4]

 

Rz. 6

Die berufliche Tätigkeit muss sich auf eine Steuersache bezogen haben. Der Begriff der Steuer...

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