1 Steuerstraftat

1.1 Begriff und Bedeutung

 

Rz. 1

§ 369 Abs. 1 AO enthält eine Legaldefinition der Begriffe Steuer- und Zollstraftat. Steuerstraftaten sind Straftaten (s. Rz. 11), mit denen ein durch Steuergesetz (s. Rz. 7) bestimmtes steuerliches Fehlverhalten geahndet wird (s. Rz. 5, 9). Da Zölle unter den Begriff der Steuer i. S. v. § 3 AO fallen, sind Zollstraftaten zugleich auch Steuerstraftaten. Der Klammerzusatz in § 369 Abs. 1 AO diente lediglich der Klarstellung. Der Begriff der Zölle ist durch Art. 8 des StÄndG 2001 v. 20.12.2001 allerdings ohne Korrektur des § 369 AO aufgegeben worden und in § 3 Abs. 3 AO durch "Einfuhr- und Ausfuhrabgaben" ersetzt worden.[1] Durch die Legaldefinition in § 369 Abs. 1 AO wird eine Sammelbezeichnung eingeführt, auf die verschiedene andere Regelungen Bezug nehmen.

 

Rz. 2

Dem Begriff der Steuerstraftat kommt materiell-rechtliche Bedeutung zu, obwohl das Steuerstrafrecht kein Sonderrecht mit eigenen, von den allgemeinen strafrechtlichen Rechtsvorschriften völlig abweichenden Regelungen darstellt.[2] Die Steuerstraftaten sind vielmehr eingebettet in das System des allgemeinen Strafrechts, sodass § 369 Abs. 2 AO für alle Steuerstraftaten klarstellt, dass die allgemeinen Gesetze des Strafrechts auch für Steuerstraftaten gelten (vgl. Rz. 50ff.). Die AO trifft nur punktuelle Sonderregelungen für die Anwendbarkeit auf reine Auslandstaten in § 370 Abs. 7 AO, die strafbefreiende Selbstanzeige gem. § 371 AO, das Absehen von Strafverfolgung in besonderen Fällen gem. § 398a AO sowie für die Strafverfolgungsverjährung in §§ 376, 396 Abs. 3 AO.

 

Rz. 3

Im Umkehrschluss ergibt sich aus der Definition des Begriffs der Steuerstraftat in § 369 Abs. 1 AO aber auch, dass die dort nicht genannten Straftaten keine Steuerstraftaten darstellen, da die gesetzliche Bestimmung der Steuerstraftat abschließend ist. Demgemäß sind die im StGB geregelten Straftatbestände der Verletzung des Steuergeheimnisses nach § 355 StGB und der Abgabenüberhebung nach § 353 StGB trotz der Anknüpfung an Steuern keine Steuerstraftaten.[3] Ebenso handelt es sich auch bei der ggf. durch einen Steuerstraftäter begangenen Strafvereitelung gem. §§ 258, 258a StGB oder einer Urkundenfälschung gem. § 267 StGB selbst bei engem sachlichen Zusammenhang mit einer Steuerhinterziehung nicht um Steuerstraftaten.

 

Rz. 4

Der Begriff der Steuerstraftat dient darüber hinaus als gesetzestechnischer Anknüpfungspunkt für besondere verfahrensrechtliche Regelungen, z. B. für die besondere Ermittlungsbefugnis der Finanzbehörden im Steuerstrafrecht[4], für die erweiterte Befugnis zur Verteidigung durch Angehörige der steuerberatenden Berufe[5] und die Meldepflicht für Gerichte und Behörden.[6]

 

Rz. 5

§ 369 AO unterscheidet zwei Arten der Steuerstraftaten. § 369 Abs. 1 Nr. 1 AO regelt die eigentlichen natürlichen oder "geborenen" Steuerstraftaten, deren Strafbarkeit sich unmittelbar aus Steuergesetzen ergibt (s. Rz. 6ff.). Durch § 369 Abs. 1 Nr. 2–4 AO werden durch besondere gesetzliche Regelung "gekorene" Straftaten zu Steuerstraftaten bestimmt (s. Rz. 9ff.).

[1] Pahlke, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § AO 3 Rz. 80.
[3] Vgl. Rz. 6ff.; vgl. auch BGH v. 22.11.1960, 1 StR 466/60, NJW 1961, 1171.

1.2 Taten, die nach Steuergesetzen strafbar sind – § 369 Abs. 1 Nr. 1 AO

 

Rz. 6

Für die Definition der Steuerstraftat enthält § 369 Abs. 1 Nr. 1 AO eine Generalklausel, wonach eine Steuerstraftat dann gegeben ist, wenn die Tat nach den Steuergesetzen strafbar ist. Die Vorschrift stellt damit nicht auf die bloße Zuwiderhandlung gegen Steuergesetze ab, sondern auf das Vorhandensein einer strafrechtlichen Vorschrift (s. Rz. 13f.) in einem Steuergesetz (s. Rz. 7).

 

Rz. 7

Als "Steuergesetz" i. S. d. AO ist grundsätzlich jede Norm anzusehen, die Steuern oder das Verfahren im Zusammenhang mit Steuern regelt.[1] Als Steuergesetz i. S. v. § 369 Abs. 1 Nr. 1 AO kann allerdings nur eine solche Norm betrachtet werden, die selbst einen steuerlichen Inhalt hat, also Voraussetzungen der Steuerpflicht oder ihre verfahrensrechtliche Verwirklichung regelt und demgemäß für das geschützte Steueraufkommen[2] Bedeutung hat. Zum anderen muss die Strafvorschrift, also der strafbegründende Tatbestand (s. Rz. 13ff.) selbst, in dem Steuergesetz geregelt sein[3], wobei es sich hierbei sowohl um die AO[4] als auch um ein Einzelsteuergesetz[5] handeln kann.

 

Rz. 8

Geborene Steuerstraftaten sind danach:

  • Steuerhinterziehung nach § 370 AO in allen Erscheinungsformen, also einschließlich des gewerbsmäßigen, gewaltsamen und bandenmäßigen Schmuggels nach § 373 AO sowie der bezugnehmenden Regelungen anderer Steuergesetze (vgl. Rz. 10);
  • Steuerhehlerei nach § 374 AO;
  • gewerbs- oder bandenmäßige Schädigung des USt-Aufkommens nach § 26c UStG (vgl. Rz. 219ff.);
  • Vertrieb unversteuerter ausländischer Lose im Inland nach § 23 RennwettLottG.[6]

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