Rz. 33

Nach § 357 Abs. 3 S. 1 AO "soll" bei der Einlegung des Einspruchs "der Verwaltungsakt bezeichnet werden, gegen den der Einspruch gerichtet ist".

Es ist damit zwar ratsam, den anzufechtenden oder begehrten Verwaltungsakt in dem Einspruch möglichst konkret und genau mit der Angabe von Steuernummer, Datum, Steuerart und Veranlagungszeitraum zu benennen.[1] Die Zulässigkeit des eingelegten Einspruchs ist aber von diesen Angaben nicht abhängig, denn die Bezeichnung des anzugreifenden Verwaltungsakts "soll", "muss" aber nicht erfolgen.[2]

 

Rz. 34

Ein Einspruch muss sich nach § 347 Abs. 1 S. 1 AO auf einen (bestimmten) Verwaltungsakt beziehen und seine Zulässigkeit setzt nach § 350 AO voraus, dass der Einspruchsführer geltend macht, durch diesen Verwaltungsakt oder dessen Unterlassung beschwert zu sein.[3] Diese Voraussetzungen machen es notwendig, dass der angefochtene Verwaltungsakt – oder im Fall eines Untätigkeitseinspruchs nach § 347 Abs. 1 S. 2 AO der unterlassene Verwaltungsakt – als Gegenstand des Einspruchsverfahrens aus der Einspruchsschrift hinreichend bestimmbar ist. Es genügt aber, dass sich der Verwaltungsakt durch Auslegung des Einspruchs ermitteln lässt.[4] Hierbei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Einspruchsführer denjenigen Verwaltungsakt anfechten will, der nach der Lage der Sache angefochten werden muss, um zu dem erkennbar angestrebten Erfolg zu kommen (Grundsatz der meistbegünstigenden Auslegung).[5] Umgekehrt ist bei der Auslegung zu berücksichtigen, dass der Einspruch im Zweifel nicht gegen einen Verwaltungsakt gerichtet sein soll, dessen Anfechtung absolut unsachgerecht wäre. Zweifel oder Unklarheiten am Gewollten sind ggf. durch Rückfragen der Finanzbehörde zu beseitigen.[6]

 

Rz. 35

Die Auslegung eines Einspruchs darf aber auch in diesem Punkt nicht zur Annahme eines Erklärungsinhalts führen, für den sich in der Erklärung selbst keine Anhaltspunkte finden lassen.[7] Das wird regelmäßig der Fall sein, wenn der angefochtene Verwaltungsakt eindeutig bezeichnet wurde. Im Falle einer eindeutigen Bezeichnung darf grds. kein anderer Verwaltungsakt zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens gemacht werden.[8] Das ist insbesondere bei Sammelbescheiden zu beachten, in denen mehrere selbstständige Verwaltungsakte, z. B. die Festsetzung der ESt, KiSt, des SolZ und von Nachzahlungszinsen, zusammengefasst sind. Beziehen sich z. B. die in dem Einspruch erhobenen Einwendungen ausschließlich auf die KiSt , den SolZ oder die Nachzahlungszinsen, kann damit nicht zugleich auch eine Anfechtung der Einkommensteuerfestsetzung als Grundlagenbescheid angenommen werden.[9] Das gilt auch dann, wenn der Einspruchsführer zwar im Betreff des Einspruchsschreibens die Bezeichnung des Sammelbescheids ("Bescheid über ESt, KiSt und Solidaritätszuschlag") nennt, er in der weiteren Begründung aber nur die Festsetzung der KiSt oder des Solidaritätszuschlags angreift.[10] Umgekehrt kann der ausschließlich im Hinblick auf die Einkommensteuerfestsetzung begründete Einspruch nicht als Anfechtung einer im gleichen Bescheid erfolgten Festsetzung des SolZ oder von Nachzahlungszinsen angesehen werden.[11] Bei nachträglich eingereichten Begründungen ist stets anhand objektiver Umstände zu prüfen, ob der Stpfl. die Anfechtung eines bestimmten Verwaltungsakts bereits bei Erhebung des Einspruchs in seinen Willen aufgenommen hatte oder ob sich dieser Wille erst nachträglich gebildet hat. Spätere Erklärungen können insofern bei der Auslegung herangezogen werden, soweit sie einen Schluss auf den ursprünglichen Willen des Einspruchsführers zulassen.[12]

 

Rz. 36

Allerdings kann selbst bei Bezeichnung eines bestimmten Verwaltungsakts eine Umdeutung erfolgen, wenn der Einspruchsführer bei der Auswahl des Verwaltungsakts offensichtlich geirrt hat und mit dessen Anfechtung nicht das von ihm bezeichnete Ziel erreichen kann.[13] Dieser Fall findet sich häufig in der Form, dass in einem Grundlagenbescheid getroffene Feststellungen mit einem Einspruch gegen den Folgebescheid angegriffen werden.[14] Wegen der "Unübersichtlichkeit und Komplexität der verfahrensrechtlichen Lage hinsichtlich des Verhältnisses zwischen dem Einkommensteuerbescheid einerseits und dem Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs andererseits", konnte ein Einspruch, der sich – nach früherem Recht fehlerhaft – gegen einen auf 0 EUR lautenden Einkommensteuerbescheid richtete, nach der Rechtsprechung des BFH – sogar dann, wenn er von einer rechtskundigen Person formuliert wurde – entgegen seinem Wortlaut als Einspruch (auch) gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs verstanden werden.[15] Gleiches muss nach der Neuregelung des Verlustfeststellungsverfahrens nunmehr auch umgekehrt gelten, also dann, wenn ein Einspruch mit dem Ziel der Feststellung eines höheren Verlustes – unzutreffend[16] – gegen den Verlustfeststellungsbescheid und nicht gegen den auf 0 EUR lautenden Einkommensteuerbescheid gerichtet w...

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