Rz. 6

Nur wer als Verfügungsberechtigter auftritt, kann von § 35 AO erfasst werden. Auftreten bedeutet, obwohl dies nicht ausdrücklich gefordert wird, ein Auftreten nach außen, also eine Teilnahme am Wirtschafts- und Rechtsverkehr, die über die Beziehungen zum Rechtsinhaber, also zum Vertretenen oder Berechtigten, hinausgeht. Ausreichend ist allerdings, wenn der Verfügungsberechtigte über den Rechtsinhaber in einer Weise nach außen wirkt, dass sein Einwirken auch nach außen erkennbar werden muss und wird. Für das Auftreten ist die tatsächliche Verhaltensweise im Geschäftsverkehr maßgebend, nicht dagegen die (arbeits-)rechtliche Gestaltung seines Dienstverhältnisses.[1] Unbeachtlich ist es auch, ob die Verfügungsmacht im Innenverhältnis beschränkt ist.[2] Das Auftreten kann gegenüber irgend jemandem geschehen, so dass andere hieraus Schlüsse ziehen können. Auch können Boten oder Bevollmächtigte eingeschaltet worden sein, wenn aus deren Verhalten auf den Einsatz der Verfügungsmacht des Verfügungsberechtigten geschlossen werden kann. Überlässt dagegen der Verfügungsberechtigte das Auftreten anderen Personen, die seinen Weisungen folgen, so tritt er selbst nicht i. S. d. § 35 AO auf.[3] Das Auftreten gegenüber einer begrenzten Öffentlichkeit reicht. Nach allerdings bedenklicher Auffassung des BFH v. 24.4.1991, I R 56/89, BFH/NV 1992, 76 soll das Handeln eines faktischen Geschäftsführers einer AG gegenüber Gesellschaftern und Organen z. B. auf Gesellschafterversammlungen oder Aufsichtsratssitzungen genügen. Eine beherrschende Stellung eines Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft kann ebenfalls eine Verfügungsmacht begründen.[4] Ein schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter ist auch dann nicht verfügungsberechtigt i. S. d. § 35 AO, wenn er die ihm vom Insolvenzgericht übertragenen Verwaltungsbefugnisse überschreitet und tatsächlich über Gelder des Insolvenzschuldners verfügt.[5]

Gegenüber den Finanzbehörden braucht der Verfügungsberechtigte nicht tätig geworden zu sein. Für § 35 AO ist sogar überhaupt kein Auftreten in steuerlichen Angelegenheiten Voraussetzung.[6] Allerdings kann das Auftreten nach außen auch in einem solchen gegenüber dem FA bestehen.[7]

Verfügungshandlungen selbst sind beim Auftreten nicht erforderlich. Aus dem Auftreten muss jedoch das vermeintliche Bestehen einer Verfügungsmacht abgeleitet werden können.

Ob der Verfügungsberechtigte im eigenen Namen oder im Namen eines anderen (also als Vertreter) auftritt, ist ohne Bedeutung. Es muss also auch nicht erkennbar sein, für wen er nach außen wirkt, wenn er nur als Verfügungsberechtigter nach außen in Erscheinung tritt. Ein Handeln als einfacher Bevollmächtigter z. B. nach § 80 AO ist nicht ausreichend, da hierin kein Auftreten als Verfügungsberechtigter gesehen werden kann (s. Rz. 7).

Das für die steuerlichen Pflichten maßgebende Auftreten nach außen kann nur für die Zeit dieses Auftretens und die Zeit gelten, in der der Anschein weiter besteht. Für die Vergangenheit vor dem Auftreten können dagegen keine entsprechenden Schlüsse gezogen werden.[8]

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