1 Allgemeines

1.1 Gegenstand und Zweck der Vorschrift

 

Rz. 1

Mit dem Begriff des "Steuerpflichtigen" definiert § 33 Abs. 1 AO einen der zentralen Begriffe der AO.[1] Systematisch unsauber definiert der Gesetzgeber erst hier einen Begriff, der im gleichen Gesetz bereits vorher Verwendung findet.[2] Die Regelung gehört als grundlegende Definition deshalb systematisch zutreffender zu den steuerlichen Begriffsbestimmungen des 1. Teils (2. Abschnitt, §§ 315 AO).[3]

 

Rz. 2

Steuerrechtsverhältnis, Steuerpflichtverhältnis und Steuerschuldverhältnis ist die Zusammenfassung der jeweiligen Rechte und Pflichten aus den Steuergesetzen. Es handelt sich um Begriffe mit materiell-rechtlichem Inhalt. Dies gilt in gleicher Weise für den Begriff "Steuerpflichtiger".

Die Geltendmachung der Rechte und Pflichten erfolgt seitens der Finanzbehörde im Verwaltungsverfahren. Im Verfahrensrecht wird die Bezeichnung "Beteiligte" verwendet, wie sie in § 78 in die AO Eingang gefunden hat. Der Beteiligte muss nicht Träger der materiellen Rechte und Pflichten sein. Das Verwaltungshandeln ist dann fehlerhaft, wenn dem Beteiligten durch Verwaltungsakt Pflichten auferlegt werden, obgleich er materiell nicht Pflichtenträger ist.

Diese klare sprachliche Trennung zwischen Verfahrensrecht und materiellem Recht ist allerdings in der AO nicht konsequent durchgeführt. Das Gesetz verwendet den Begriff "Steuerpflichtiger" auch als Anknüpfungspunkt für das Verwaltungsverfahren.[4] Anstelle des verfahrensrechtlichen Begriffs "Beteiligter" wird hier der materielle Begriff "Steuerpflichtiger" verwendet.

 

Rz. 3

Soweit ein Rechtsverhältnis auf Steuergesetzen[5] beruht und damit steuerliche Rechte oder Pflichten regelt, ist es als Steuerrechtsverhältnis zu bezeichnen. Zu den Steuergesetzen zählen neben unmittelbar materiell oder verfahrensrechtlich rein steuerlichen Regelungen auch solche steuerlichen Normen, die in Gesetzen anderer Rechtsgebiete mitgeregelt werden.[6] In formeller Hinsicht sind Steuergesetze i. S. d. § 33 Abs. 1 AO förmliche Gesetze, Rechtsverordnungen, autonome Satzungen und EU-Verordnungen, soweit darin abgabenrechtlich relevante Angelegenheiten i. S. d. § 3 AO geregelt werden.[7] Eine EU-Richtlinie ist dagegen grundsätzlich kein formelles Gesetz. Sie kann dies aber unter ganz bestimmten besonderen Umständen und Voraussetzungen im Einzelfall einmal sein, wenn der betroffenen Person das Recht zusteht, sich direkt auf die Richtlinie zu berufen.[8]

Die AO verwendet die Bezeichnung Steuerrechtsverhältnis allerdings nicht, sondern knüpft für die Begriffsbildung an den Inhalt des einzelnen Rechtsverhältnisses an, ohne die Terminologie abschließend zu regeln. Werden durch Steuergesetze steuerliche Pflichten auferlegt, bezeichnet § 33 AO den Pflichtenträger als "Steuerpflichtigen". Das Steuerrechtsverhältnis ist demgemäß als Steuerpflichtverhältnis definiert.

 

Rz. 4

Die Kehrseite des Pflichtverhältnisses, Inhaber von Rechten zu sein, wird vom gesetzlichen Wortlaut vollständig ausgeblendet.[9] Aus dem Steuerrechtsverhältnis resultieren aber nicht nur Pflichten, sondern auch Rechtsansprüche an den Staat. Für dieses umgekehrte Steuerpflichtverhältnis hat die AO keinen einheitlichen Rechtsbegriff gebildet. Hier wird deutlich, dass § 33 AO seit Einführung der AO 77 unverändert geblieben ist. Historisch ist es gerade die Pflichtenstellung, die das Steuerrechtsverhältnis prägt. Diesem Denken entstammt auch die Bezeichnung des "Steuerpflichtigen".

 

Rz. 5

Die Regelung des § 33 Abs. 1 AO ist dementsprechend einseitig verwaltungslastig definiert. Für die Finanzverwaltung und den "Steuerbürger" (Rz. 6) bzw. dessen steuerlichen Berater wird bestimmt, welche Pflichten von dem betroffenen Stpfl. zu erfüllen sind.

 

Rz. 6

Um die Gegenseitigkeit der Rechte und Pflichten zwischen Staat und Bürger hervorzuheben, wurden Wortschöpfungen wie "Steuerbürger" geschaffen. Die Rechtsposition des "Steuerbürgers" als umfassender Träger von Rechten und Pflichten wird in der AO nicht legaldefiniert. Die Herleitung aus seiner Pflichtenstellung ist deshalb naheliegend. Sowohl im Verwaltungssprachgebrauch, als auch im Sprachgebrauch des Gesetzes[10] wird der Bürger regelmäßig im umfassenden Verständnis als "Steuerpflichtiger" bezeichnet.

 

Rz. 7

Der Begriff des "Steuerpflichtigen" muss deshalb über den Wortlaut hinaus i. w. S. verstanden werden. In einem solchen weiten Sinn umfasst der Begriff Steuerpflichtverhältnis auch die Rechte des Bürgers aus Steuergesetzen und ist dann inhaltsgleich mit dem Begriff Steuerrechtsverhältnis zu sehen. Diese inzidente Abbildung einer umfassenden Rechtsstellung des "Steuerbürgers" gegenüber der Finanzverwaltung wird gemeinhin mit dem Begriff des Steuerrechtssubjekts als durch § 33 AO mit umfasste Begriffsbestimmung definiert[11], um eine einheitliche und nicht trennbare Definition des Trägers von Rechten und Pflichten aus dem öffentlich-rechtlichen Steuerrechtsverhältnis zu gewährleisten.

 

Rz. 8

§ 33 AO umfasst insoweit – ungeschrieben – auch eine umfassende personelle Zuordnung zu dem jeweiligen Steuerrechtssubjekt....

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