1 Allgemeines

 

Rz. 1

§ 267 AO regelt die Zwangsvollstreckung in das Vermögen von Personenvereinigungen, Zweckvermögen und sonstigen einer juristischen Person ähnlichen Gebilde nach der AO und zieht damit die notwendige Konsequenz aus der Steuerrechtsfähigkeit und Steuerpflicht dieses Adressatenkreises. Ein nicht rechtsfähiges Gebilde hat nach bürgerlichem Recht grds. kein Vermögen, in das eine Zwangsvollstreckung betrieben werden könnte.[1] Anstatt eines vollstreckbaren Verwaltungsakts und entsprechenden Leistungsgebots gegen alle Gesellschafter oder Mitglieder reicht für die Vollstreckung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis ein gegen die Personenvereinigung oder gegen das einer juristischen Person ähnliche Gebilde gerichteter vollstreckbarer Verwaltungsakt aus.

 

Rz. 2

Die Vorschrift ist somit die vollstreckungsrechtliche Konsequenz aus der Tatsache, dass auch Personenvereinigungen, Zweckvermögen oder Gebilde, die einer juristischen Person ähneln, im Besteuerungsverfahren Beteiligte sein können. § 267 AO ermöglicht eine Vollstreckung in das Sondervermögen einer Personenvereinigung und lässt hierfür einen gegen diese gerichteten vollstreckbaren Verwaltungsakt ausreichen.[2] Die Gesellschafter oder Mitglieder sind gleichwohl nicht Dritte i. S. d. § 262 AO. § 267 AO schließt das Widerspruchsrecht nach § 262 Abs. 1 AO aus, soweit in das Sondervermögen vollstreckt wird. Das Widerspruchsrecht nach § 262 AO ist jedoch dann gegeben, wenn geltend gemacht wird, dass von der Vollstreckungsmaßnahme nicht das Sondervermögen, sondern zumindest teilweise – sofern in mehrere Gegenstände vollstreckt wird – auch das Privatvermögen betroffen ist.[3]

[1] BFH v. 11.2.1987, II R 103/84, BStBl II 1987, 325; Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 267 AO Rz. 4.
[2] S.a. Abschn. 33 Abs. 1 VollStrA; Holzner, in Pfirrmann/Rosenke/Eagner, Beck OK, § 267 AO Rz. 1.
[3] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 267 AO Rz. 7.

2 Steuerpflichtige nicht rechtsfähige Personenvereinigungen

2.1 Nicht rechtsfähige Personenvereinigungen

 

Rz. 3

Der Begriff "nicht rechtsfähige Personenvereinigungen" umfasst die Gebilde, die zwar keine juristischen Personen sind, aber am Rechtsverkehr teilnehmen und steuerliche Rechte erwerben bzw. Verpflichtungen eingehen können.[1] In Betracht kommen hierbei namentlich der nicht rechtsfähige Verein[2], die OHG und die KG, die Partnerschaftsgesellschaft und die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV).

Durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts[3] ist mit Wirkung zum 1.1.2024 die Rechtsfähigkeit der GbR eingeführt worden. Allerdings ist diese nicht zwingend. Nach § 705 Abs. 2 BGB n. F. können die Gesellschafter die GbR auch zur Ausgestaltung ihrer internen Rechtsverhältnisse errichten (z. B. Fahrgemeinschaften, Urlaubsgemeinschaften, Tippgemeinschaften, Stimmbindungsverträge, Poolverträge oder Unterbeteiligungen). Die Praxisrelevanz wird jedoch voraussichtlich sehr niedrig sein und wurde daher auch nicht umfassend kodifiziert.[4]

Nach § 705 Abs. 2 BGB n. F. kann eine GbR als solche „selbst Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, wenn sie nach dem gemeinsamen Willen der Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnehmen soll (rechtsfähige Gesellschaft), oder sie kann den Gesellschaftern zur Ausgestaltung ihres Rechtsverhältnisses untereinander dienen (nicht rechtsfähige Gesellschaft)".[5]

Keine Anwendung findet die Vorschrift dagegen auf die Erbengemeinschaft.[6] Die Erbengemeinschaft ist weder rechts- noch parteifähig.

Gemäß § 105 HGB n. F. sind die OHG und die KG rechtsfähig.[7] Bei der OHG und der KG ist – auch ohne § 267 AO – gem. § 124 Abs. 2 HGB zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen ein vollstreckbarer Titel gegen die Gesellschaft erforderlich. Die AO sieht allerdings keine entsprechende Anwendung des § 124 Abs. 2 HGB vor, sondern regelt den zutreffenden Adressaten der Vollstreckung auch für die OHG und die KG in § 267 AO.

 

Rz. 4

Nach § 267 S. 2 AO werden die Zweckvermögen und sonstige einer juristischen Person ähnliche steuerpflichtige Gebilde den nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen gleichgestellt. Als solche Zweckvermögen kommen die nicht rechtsfähige Stiftung, Verein und Anstalt in Betracht.[8] Zu den sonstigen einer juristischen Person ähnlichen steuerpflichtigen Gebilden gehören Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts i. S. v. § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG.[9] Maßgebend ist die Möglichkeit der Steuerpflicht.

[3] Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz (MoPeG) vom 10.8.2021, BGBl I 2021, 3436; vgl. dazu auch die Änderung des AEAO mit Wirkung ab 1.1.2024 durch BMF v. 29.12.2023, IV D 1 – S 0062/23/10005 :001, Haufe-Index HI16153503.
[4] Lettmaier, in MüKoBGB, 9. Aufl. 2023, Rz. 24; Siering, in Haase/Dorn, Vermögensverwaltende Personengesellschaften, 5. Aufl. 2022, Rz. 9; Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 267 AO Rz. 11ff.; Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 267 Rz. 5; Klein/Werth, AO, 17. Aufl. 2023, § 267 Rz. 3; Schlatmann, in ...

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