1 Allgemeines

1.1 Inhalt und Bedeutung

 

Rz. 1

§ 25 AO regelt die Auflösung positiver Kompetenzkonflikte, die sich daraus ergeben, dass nach dem Gesetz mehrere Finanzbehörden für ein und dieselbe Sache örtlich zuständig sind. S. 1, 1. Halbs. löst den Kompetenzkonflikt grundsätzlich nach dem Prioritätsprinzip. Um sich daraus ergebende Zufallsergebnisse zu vermeiden, sieht S. 1, 2. Halbs. ersatzweise eine abweichende Vereinbarung zwischen den beteiligten Behörden bzw. die Bestimmung der zuständigen Behörde durch die gemeinsame fachlich zuständige Aufsichtsbehörde vor. S. 2 sieht für den Fall, dass eine gemeinsame Aufsichtsbehörde fehlt, eine gemeinsame Entscheidung der fachlich zuständigen Aufsichtsbehörden vor.

1.2 Verhältnis zu anderen Vorschriften

 

Rz. 2

Während § 25 AO den Fall regelt, dass objektiv mehrere Finanzbehörden für dieselbe Sache zuständig sind, begründet § 24 AO eine Ersatzzuständigkeit für den Fall, dass sich aus anderen Vorschriften überhaupt keine örtliche Zuständigkeit ergibt. In beiden Fällen besteht allerdings bis zur Klärung der Zuständigkeitsfrage die Möglichkeit, unaufschiebbare Maßnahmen auf der Grundlage des § 29 AO zu treffen.[1]

Durch das objektive Vorhandensein mehrerer örtlicher Zuständigkeiten unterscheidet sich § 25 AO auch von § 28 AO, der den Fall regelt, dass nach dem Gesetz nur eine Finanzbehörde örtlich zuständig ist, jedoch Meinungsverschiedenheiten darüber bestehen, welche von mehreren in Betracht kommenden Finanzbehörden dies ist. Sind gesonderte Feststellungen gegenüber mehreren Personen durchzuführen, liegt ein Fall des § 28 AO vor, wenn zweifelhaft ist, welches FA nach einem der Anknüpfungsmerkmale des § 18 Abs. 1 AO zuständig ist; dagegen liegt ein Fall des § 25 AO vor, wenn sich die Zuständigkeit in Ermangelung eines Anknüpfungsmerkmals i. S. v. § 18 Abs. 1 AO nach § 18 Abs. 2 AO richtet und für die verschiedenen Feststellungsbeteiligten unterschiedliche örtliche Zuständigkeiten nach §§ 19 oder 20 AO bestehen.[2]

[1] Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 25 AO Rz. 4; Schmieszek, in Gosch, AO/FGO, § 25 AO Rz. 9; Koenig/Pätz, AO, 4. Aufl. 2021, § 25 Rz. 1.
[2] Schmieszek, in Gosch, AO/FGO, § 25 AO Rz. 9.

1.3 Anwendungsbereich

 

Rz. 3

§ 25 AO gilt auch für den Fall mehrfacher örtlicher Zuständigkeit hinsichtlich beschränkt Stpfl.[1] Eine solche Mehrfachzuständigkeit kann z. B. bei gesonderten Feststellungen gegenüber ausländischen Personengesellschaften bestehen, wenn sich die Zuständigkeit in Ermangelung eines Anknüpfungsmerkmals gem. § 18 Abs. 1 AO nach § 18 Abs. 2 AO richtet und für die inländischen Gesellschafter nach §§ 19 oder 20 AO unterschiedliche FÄ zuständig sind.[2]

[2] Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 25 AO Rz. 6; OFD Karlsruhe v. 18.3.2022, S 0121 (§ 18 Karte 1), HI156365.

2 Mehrfache örtliche Zuständigkeit für dieselbe Sache

 

Rz. 4

Der Fall, dass mehrere Finanzbehörden zuständig sind, liegt nur vor, wenn die verschiedenen nach dem Gesetz bestehenden Zuständigkeiten gleichrangig sind. Keine Mehrfachzuständigkeit ist gegeben, wenn sich aus den gesetzlichen Regelungen eine Rangfolge ergibt, die die Bestimmung der vorrangig zuständigen Finanzbehörde erlaubt.[1] Dies gilt selbst dann, wenn die sich daraus folgende Zuständigkeitsreihenfolge aus tatsächlichen Gründen nicht zu ermitteln ist. In diesem Fall richtet sich die Zuständigkeit nach § 24 AO.

Die Mehrfachzuständigkeit muss für dieselbe Sache bestehen. Unter Sache i. d.  S. ist dabei die auf einen konkreten Sachverhalt bezogene und durch einen bestimmten Verwaltungsakt abzuschließende Verwaltungstätigkeit zu verstehen.[2] Diese Voraussetzung soll auch bei Sammelbescheiden zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für mehrere Jahre erfüllt sein, wenn die Einkünfte aus derselben Quelle stammen.[3] Liegen verschiedene Sachen vor, die durch unterschiedliche Verwaltungsakte abzuschließen sind – wie die ESt-Festsetzung einerseits und die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags andererseits – können auch unterschiedliche Zuständigkeiten bestehen, sodass § 25 AO nicht zur Anwendung kommt.[4]

 

Rz. 5

Besondere Bedeutung hat § 25 AO für den Fall, dass sich bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten bzw. Lebenspartnern unterschiedliche Zuständigkeiten ergeben. Bei intakter Ehe bzw. Lebenspartnerschaft kann sich diese Situation in den Fällen des § 19 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 AO ergeben, wenn beide Ehegatten bzw. Lebenspartner Gewinneinkünfte aus verschiedenen Finanzamtsbezirken ihrer Wohnsitzgemeinde beziehen.[5] Das Gleiche gilt in Trennungsfällen, wenn einer der Ehegatten bzw. Lebenspartner in einen anderen Finanzamtsbezirk verzieht, die Ehegatten bzw. Lebenspartner für das Trennungsjahr aber noch die Zusammenveranlagung wählen. Die Regelung des § 19 Abs. 1 S. 2, Hs. 2 AO, die auf den Familienwohnsitz abstellt, ist nach der Trennung nicht mehr anwendbar.[6] Zwar liegt in diesen Fällen keine Mehrfachzuständigkeit im eigentlichen Sinne vor, weil für jeden einzelnen der Stpfl. nur ein FA zuständig ist. Um der Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen zu begegnen, i...

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