Rz. 31a

Die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung kann begangen sein

  • vom Stpfl. selbst (Rz. 32) oder einer Person, für die er die Verantwortung trägt (Rz. 37a); in beiden Fällen besteht für den Stpfl. keine Exkulpationsmöglichkeit;
  • durch einen Dritten, für den der Stpfl. keine Verantwortung trägt; hier kann der Stpfl. sich exkulpieren (Rz. 41ff.).
 

Rz. 32

Die Verlängerung der Festsetzungsfrist tritt nur ein, wenn der volle objektive und subjektive Tatbestand des § 370 AO bzw. des § 378 AO vorliegen.[1] Ob das der Fall ist, richtet sich nach materiell-rechtlich strafrechtlichen Grundsätzen, ist also ebenso wie im Strafrecht zu beurteilen.[2] Zur Feststellung des Vorliegens einer Steuerhinterziehung bzw. leichtfertigen Steuerverkürzung gelten jedoch nicht die verfahrensrechtlichen strafprozessualen Grundsätze, da es nicht um eine strafrechtliche bzw. bußgeldrechtliche Sanktion geht, sondern um steuerliche Folgen, die an strafrechtliche bzw. bußgeldrechtliche Tatbestände lediglich anknüpfen.[3] Es muss der volle Tatbestand vorliegen, d. h., durch eine der in § 370 Abs. 1 Nr. 1–3 AO aufgezählten Handlungen Steuern verkürzt oder andere nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt worden sein. Erforderlich ist Kausalität zwischen der Handlung des Stpfl. und dem Erfolg, d. h. Verkürzung der Steuer. Das ist der Fall, wenn bei pflichtgemäßem Handeln des Stpfl. die Finanzbehörde von dem steuerlichen Sachverhalt Kenntnis erlangt hätte und in der Lage gewesen wäre, die Steuer festzusetzen. Das ist nach dem tatsächlichen Ablauf des Geschehens zu beurteilen. Tatsachen, die den Kausalverlauf hätten unterbrechen können, wie etwa das Verlorengehen oder das Nichtauswerten einer Kontrollmitteilung, sind unbeachtlich.[4] Steuern sind nach § 370 Abs. 4 S. 1 AO insbesondere dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt worden sind. Für § 169 Abs. 2 S. 2 AO reduziert die h. M. den Begriff der Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung aber dadurch, dass nicht allein auf die Festsetzung der Steuer abgestellt wird, sondern auch der Abrechnungsteil des Steuerbescheids berücksichtigt wird. Zu einer Verlängerung der Festsetzungsfrist kommt es daher nur, wenn der Steuerbescheid eine Abschlusszahlung ausweist, die wegen der Tathandlung des Stpfl. bisher nicht ausgewiesen worden ist. Ist die Steuer trotz der Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung durch Vorauszahlungen oder Steuerabzugsbeträge tatsächlich entrichtet worden, also keine Abschlusszahlung entstanden, erfordert der Gesetzeszweck des § 169 Abs. 2 S. 2 AO nicht die Verlängerung der Festsetzungsfrist. Die Verlängerung der Festsetzungsfrist soll dem FA genügend Zeit eingeräumt werden, die hinterzogene oder leichtfertig verkürzte Steuer noch zu realisieren. Ist die Steuer tatsächlich entrichtet worden, ist diese Zeit zur Realisierung der Steuer nicht erforderlich.[5] Ob eine Abschlusszahlung ohne die die Steuerhinterziehung bzw. leichtfertige Steuerverkürzung bildende Handlung ergeben würde, ist für jede Steuer gesondert zu ermitteln.[6] ESt, KiSt und SolZ sind daher nicht zusammenzurechnen. Ergäbe sich beispielsweise eine Abschlusszahlung nur für den SolZ, greift nur insoweit die Verlängerung der Festsetzungsfrist ein, nicht für die ESt.

 

Rz. 33

Steuerhinterziehung, § 370 AO, setzt im subjektiven Tatbestand Vorsatz der Tat voraus. Vorsatz ist Wissen und (zumindest bedingtes) Wollen der Tat. Bedingter Vorsatz genügt daher, ebenso Steuerhinterziehung in mittelbarer Täterschaft. Leichtfertige Steuerverkürzung, § 378 AO, verlangt im subjektiven Tatbestand Leichtfertigkeit. Leichtfertigkeit bedeutet einen erheblichen Grad an Fahrlässigkeit, der etwa der groben Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts entspricht, aber auf die persönlichen Fähigkeiten des Täters abstellt. Der Täter muss in der Lage gewesen sein, nach der Lage des konkreten Falls und seinen individuellen Fähigkeiten und Erfahrungen die sich aus den gesetzlichen Regeln ergebenden Sorgfaltspflichten zu erfüllen.[7] Feststellung der Leichtfertigkeit setzt im Regelfall voraus, dass der Stpfl. persönlich angehört wird.[8] Leichtfertigkeit kann auch bei einem Unterlassen vorliegen. Der Stpfl. muss bei rechtlichen Zweifeln über seine steuerlichen Pflichten fachmännischen Rat einholen.[9]

 

Rz. 33a

Unterschreibt der Stpfl. die von dem Steuerberater gefertigte Steuererklärung und reicht er sie bei dem FA ein, ist diese Erklärung aber unrichtig, trifft den Stpfl. nur ein Verschulden, wenn von ihm erwartet werden konnte, dass er den Fehler bemerkt. Das ist der Fall, wenn von ihm nach den Umständen des Einzelfalls und seinen individuellen Fähigkeiten erwartet werden konnte, die Unrichtigkeit der Steuererklärung zu erkennen. Hat der Stpfl. alle erforderlichen Unterlagen vollständig dem Steuerberater übergeben und auch alle erforderlichen Auskünfte vollständig und wahrheitsgemäß erteilt, darf er darauf vertrauen, dass der Steuerberater die Steuererklärun...

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