Rz. 191

§ 163 Abs. 1 AO ermöglicht drei verschiedene Billigkeitsmaßnahmen. Die Billigkeitsmaßnahme kann nach S. 1 erste Alternative dazu führen, dass die Steuer niedriger bzw. eine Steuervergütung höher festgesetzt wird, als sich aus den Besteuerungsgrundlagen ergeben würde. Eine höhere Steuerfestsetzung, die sich für den Stpfl. günstig auswirkt, z. B. durch Ausnutzung von Verlustvorträgen, lässt S. 1 nach dem eindeutigen Wortlaut nicht zu.[1] Nach S. 1 zweite Alternative können einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuer erhöhen würden, unberücksichtigt bleiben. Die dritte Möglichkeit besteht nach S. 2 darin, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuer erhöhen, erst in einer späteren Steuerfestsetzung oder, soweit sie die Steuer mindern, in einer früheren Steuerfestsetzung berücksichtigt werden. Besteuerungsgrundlagen i. S. d. § 163 AO sind nur numerische Besteuerungsgrundlagen; bei anderen Besteuerungsgrundlagen kommt eine Billigkeitsmaßnahme regelmäßig nicht in Betracht.

 

Rz. 192

Die Billigkeitsmaßnahme kann die Steuer ganz oder z. T. beseitigen. Bei der persönlichen Billigkeit sind Ausmaß der Bedürftigkeit und Würdigkeit zu berücksichtigen, bei der sachlichen Billigkeit ist zu würdigen, ob der Stpfl. schuldhaft zu dem dem Gesetzeszweck nicht entsprechenden Ergebnis beigetragen hat.[2]

 

Rz. 193

Es liegt im Ermessen der Finanzbehörde, welche Billigkeitsmaßnahme ergriffen wird. Es können auch andere Maßnahmen als abweichende Steuerfestsetzung oder Erlass ergriffen werden. Beruht z. B. die persönliche Unbilligkeit auf einem nur vorübergehenden Mangel an Geldmitteln, kann auch eine Stundung ein geeignetes Mittel zur Beseitigung der Unbilligkeit sein.[3] Auch der Umfang der Billigkeitsmaßnahme steht im Ermessen der Verwaltung. Bei der Entscheidung über das Ausmaß der Billigkeitsmaßnahme können auch Vorteile des Stpfl. berücksichtigt werden, z. B. beim Erlass der Säumniszuschläge kann berücksichtigt werden, dass der Stpfl. bei einer Stundung Zinsen hätte zahlen müssen.[4]

 

Rz. 194

Die niedrigere Festsetzung der Steuer nach Abs. 1 S. 1 Alt.1 kann bei allen Steuerarten erfolgen. Sie bedeutet, dass die Steuer abweichend von der gesetzlich entstandenen Steuer festgesetzt wird. Die niedrigere Steuerfestsetzung kann um einen bestimmten Betrag oder prozentual erfolgen. Eine Verbindung zu bestimmten Besteuerungsgrundlagen ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht erforderlich. Insgesamt darf die Steuer aber nur auf Null reduziert werden; es darf bei der Reduzierung der Steuer nicht zu einer Steuervergütung kommen. Bei der Gewerbesteuer und der Grundsteuer bedeutet die Anwendung des § 163 Abs. 1 S. 1 AO nach § 184 Abs. 2 S. 1 AO, dass der Messbetrag niedriger als nach dem Gesetz entstanden festgesetzt wird. Bei Steuervergütungen kann der Vergütungsbetrag höher festgesetzt werden, als nach dem Gesetz vorgesehen (hierzu Rz. 197). Allerdings ist insoweit besonders sorgfältig zu prüfen, ob tatsächlich in der gesetzlichen Regelung der Steuervergütung eine sachliche oder persönliche Unbilligkeit liegt. Die höhere Festsetzung der Steuervergütung darf keinesfalls zu einer vom Gesetz nicht vorgesehenen Subvention führen.[5] Auch Erstattungsansprüche können höher festgesetzt werden, allerdings maximal bis zur Höhe des gesetzlich entstandenen Anspruchs, da sonst ein eigenständiger Leistungsanspruch geschaffen würde.[6]

 

Rz. 194a

Nach § 163 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 AO können einzelne Besteuerungsgrundlagen unberücksichtigt bleiben, die die Steuer erhöhen würden. Es dürfen nur steuererhöhende Besteuerungsgrundlagen unberücksichtigt gelassen werden, dagegen ist es nicht möglich, nicht vorhandene steuermindernde Besteuerungsgrundlagen anzusetzen. Eine solche Maßnahme fällt unter § 163 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 AO.[7] Im Gegensatz zu der ersten Alternative bezieht sich die abweichende Steuerfestsetzung bei der zweiten Alternative nicht auf die gesetzlich entstandene Steuer insgesamt, sondern nur auf die Auswirkungen einzelner Besteuerungsgrundlagen. Für die ESt wird vertreten, dass die Auswirkungen auf einen Vz beschränkt bleiben müssen. Das schließt es z. B. aus, Wirtschaftsgüter in der Bilanz mit niedrigen Werten anzusetzen, weil dies wegen des Bilanzzusammenhangs Auswirkungen auf andere Vz hätte. Für die Verlagerung von Steuerwirkungen in andere Vz enthält § 163 Abs. 1 S. 2 AO eine besondere Regelung.[8] Auch die Bildung einer steuerfreien Rücklage fällt unter Abs. 1 S. 2, da hierdurch die Besteuerung des Gewinns nicht ausgeschlossen, sondern nur auf eine spätere Zeit verschoben wird. Bei der GewSt kann etwa auf Hinzurechnungen bei dem Gewerbeertrag verzichtet oder der Gewerbeertrag niedriger angesetzt werden. Bei der USt können z. B. einzelne Umsätze von der Besteuerung ausgenommen werden.

 

Rz. 194b

Problematisch ist der Begriff der "Besteuerungsgrundlagen" in § 163 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 AO, ebenso wie der gleiche Begriff in § 163 S. 2 AO. § 199 Abs. 1 AO enthält eine Definition des Begriffs der Besteuerungsgrundlagen, wobei aber fraglich ist,...

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