Rz. 172

Bei der Bedürftigkeit dürfen nur die in der Person des Stpfl. bzw. seines Rechtsnachfolgers liegenden Verhältnisse berücksichtigt werden. Bei Rechtsnachfolge ist, auch wenn die Steuer aus dem übernommenen Vermögen stammt, die gesamte wirtschaftliche Situation des Rechtsnachfolgers in Betracht zu ziehen, nicht nur die des übernommenen Vermögens.[1]

 

Rz. 173

Die Billigkeitsmaßnahme muss dem Stpfl. wirtschaftlich zugute kommen, darf also nicht nur Dritten (z. B. anderen Gläubigern) nützen.[2] Das ist etwa im Insolvenzverfahren der Fall, wenn die Billigkeitsmaßnahme nur dazu führt, dass sich die Insolvenzquote für die anderen Gläubiger erhöht.

An der Bedürftigkeit fehlt es auch, solange die Steuer auf Dritte überwälzt werden kann.[3]

Aus dem Erfordernis, dass der Erlass dem Stpfl. wirtschaftlich zugute kommen muss, schließt die Rechtsprechung, dass dies bei Forderungen gegen den Stpfl., die uneinbringlich sind, nicht der Fall sei, da der Erlass dann keinen wirtschaftlichen Vorteil darstelle.[4] M. E. ist dem nicht zu folgen. Auch diese Forderungen sind belastend, ihr Erlass ist nicht von vornherein ausgeschlossen. Diese Forderungen engen zumindest den künftigen wirtschaftlichen Spielraum des Stpfl. ein, z. B. bei einer beabsichtigten Kreditaufnahme. Es kann daher eine Billigkeitsmaßnahme geboten sein, um diesen wirtschaftlichen Spielraum wiederherzustellen. Dies erkennt die neuere Rechtsprechung an.[5] Danach kann eine Billigkeitsmaßnahme aus Gründen der persönlichen Billigkeit auch dann gerechtfertigt sein, wenn die Steuerrückstände den Stpfl. daran hindern, eine neue selbstständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen, um sich eine eigene, von der Sozialhilfe unabhängige Existenz aufzubauen (im Streitfall: Versagung einer Taxikonzession mit Hinweis auf die Steuerschulden). Die Billigkeitsmaßnahme ist in diesem Fall mit einem wirtschaftlichen Vorteil für den Stpfl. verbunden, da sie sich konkret auf seine wirtschaftliche Existenz auswirkt.

 

Rz. 174

Aus dem Grundsatz der Bedürftigkeit soll danach auch folgen, dass die Billigkeitsmaßnahme geeignet sein muss, die Bedürftigkeit zu beseitigen. Maßnahmen, die im Ergebnis die persönliche Situation des Stpfl. nicht bessern, sind nicht zulässig. Das ist z. B. der Fall, wenn der Stpfl. nur Einkünfte unterhalb der Pfändungsfreigrenze hat. Da er dadurch ohnehin vor Zwangsvollstreckungsmaßnahmen geschützt ist, verbessert eine Billigkeitsmaßnahme seine wirtschaftliche Situation nicht. Entsprechendes gilt für Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit; auch dann verbessert eine Billigkeitsmaßnahme die wirtschaftliche Situation des Stpfl. nicht.[6] Eine Billigkeitsmaßnahme setzt in diesem Fall voraus, dass der Stpfl. durch Darlegung seiner Pläne für die Zukunft vorträgt, dass die Steuerschulden ihn an der Verwirklichung dieser Pläne hindern.[7] Es ist aber nicht erforderlich, dass der Erlass die Bedürftigkeit auf Dauer, d. h. bis zum Lebensende des Stpfl. beseitigt. Es genügt, dass dies für einige Jahre der Fall ist.[8] Dem ist m. E. zuzustimmen. Die Besteuerung darf nicht dazu führen, dass der Stpfl. deutlich früher auf Sozialhilfe angewiesen ist, als es sonst der Fall wäre.

 

Rz. 175

Bei der Frage der Bedürftigkeit ist auf die wirtschaftliche Lage des Stpfl. abzustellen. Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Verhältnisse dritter Personen dürfen nicht einbezogen werden. So dürfen Folgen der wirtschaftlichen Notlage auf Angehörige des Stpfl. (mit Ausnahme der Unterhaltsverpflichtungen) nicht berücksichtigt werden. Ist der Stpfl. verheiratet und wird er mit dem Ehegatten zusammen veranlagt, ist für die Frage der Bedürftigkeit auf die Verhältnisse beider Ehegatten abzustellen.[9] Wird er mit dem Ehegatten nicht zusammen veranlagt, ist m. E. nur auf die Verhältnisse des Stpfl. abzustellen. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass er u. U. Unterhaltsverpflichtungen oder Unterhaltsansprüche gegenüber dem Ehegatten hat.

 

Rz. 176

Ist eine Personengesellschaft Steuerschuldner (betriebsbezogene Steuern wie GewSt), sind nur die wirtschaftlichen Verhältnisse der Personengesellschaft zu berücksichtigen, nicht die des persönlich oder beschränkt haftenden Gesellschafters.[10]

 

Rz. 177

Bedürftigkeit liegt vor, wenn ohne die Billigkeitsmaßnahme die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Stpfl. vernichtet würde oder ernstlich gefährdet wäre.[11] Die wirtschaftliche und persönliche Existenz ist dabei gefährdet, wenn ohne die Billigkeitsmaßnahme der notwendige Lebensunterhalt auf Dauer nicht mehr bestritten werden kann. Zum notwendigen Lebensunterhalt gehören dabei Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Behandlung, Aufwendungen für Krankenversicherung und Altersvorsorge, sonst erforderliche Ausgaben des täglichen Lebens sowie Unterhalt für in der Haushaltsgemeinschaft lebende Angehörige, die wegen Ausbildung, Krankheit, Behinderung, Alter, Vermögenslosigkeit usw. sich nicht selbst unterhalten können.[12] Maßgebend ist die Prognose über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Stpfl. in der Zukunft.[13] De...

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