Rz. 87

Von den steuerlichen Nebenleistungen ist § 163 AO nur auf die Zinsfestsetzung, § 239 Abs. 1 AO, und auf die Kostenfestsetzung, § 178 Abs. 4 AO, anwendbar; zu Verspätungszuschlägen vgl. Rz. 10, zu Säumniszuschlägen s. § 227 AO Rz. 28, § 240 AO Rz. 48ff.

 

Rz. 88

Für Stundungszinsen[1] und Aussetzungszinsen[2] gelten eigenständige Billigkeitsregelungen, die aber der sachlichen Billigkeit in §§ 163, 227 AO entsprechen. Diese Regelungen gehen § 227 AO vor; diese Vorschrift ist jedoch auf die anderen Zinstatbestände anwendbar, die keine besondere Billigkeitsregelung enthalten.[3]

Im Einzelnen zum Erlass von Zinsen § 227 AO Rz. 33ff.

 

Rz. 89

Die Festsetzung von Aussetzungszinsen wird nicht allein durch die Länge des Gerichtsverfahrens sachlich unbillig. Zwar erfordert das Rechtsstaatsprinzip die Rechtschutzgewährung in angemessener Zeit. Wird diese Zeit überschritten, ist die Sanktion aber nur die Gewährung der Aussetzung, nicht der Verzicht auf Aussetzungszinsen.[4]

 

Rz. 90

Soweit Erstattungszinsen gesetzlich nicht vorgesehen sind, beruht dies auf der gesetzlichen Wertung und ist sachlich nicht unbillig.[5]

 

Rz. 91

Die Erhebung von Nachzahlungszinsen nach § 233a AO soll den Liquiditätsvorteil des Stpfl. abschöpfen, der aus der verspäteten Zahlung der Steuer entsteht. Ihre Festsetzung ist nicht deshalb unbillig, weil sich die Steuerfestsetzung verzögert hat oder weil keine Möglichkeit bestand, eine Nachzahlung durch Festsetzung einer weiteren Vorauszahlung zu vermeiden.[6] Soweit dieser Liquiditätsvorteil eingetreten ist, ist die Festsetzung der Zinsen nicht unbillig. Eine Billigkeitsmaßnahme kann nur dann in Betracht kommen, wenn das FA durch sein Verhalten (z. B. Auskunft) dazu beigetragen hat, dass ein Zinsanspruch entstanden ist. Wenn jedoch feststeht, dass der Stpfl. aus der verspäteten Festsetzung der Steuer keinen Vorteil einschließlich eines Liquiditätsvorteils erlangt hat, ist die Festsetzung der Zinsen unbillig; sie sind wegen sachlicher Unbilligkeit nicht festzusetzen bzw. zu erlassen.[7] Ein solcher Fall der fehlenden Nutzungsmöglichkeit der später festgesetzten Steuer liegt vor, soweit der Stpfl. den Steuerbetrag bereits vor der Steuerfestsetzung an die Finanzbehörde freiwillig bezahlt und diese den Steuerbetrag angenommen und behalten hat.[8]

 

Rz. 92

Beruht die Nachzahlung auf einem rechtswidrigen Verhalten des Stpfl., entfällt der Liquiditätsvorteil nicht allein dadurch, dass er auch bei rechtmäßigem Verhalten einen entsprechenden Liquiditätsvorteil gehabt hätte. Die Festsetzung von Hinterziehungszinsen ist daher nicht allein deshalb sachlich unbillig, weil der Stpfl. die hinterzogene EUSt als Vorsteuer hätte abziehen können.[9]

 

Rz. 93

Nachzahlungszinsen werden nicht allein deshalb sachlich unbillig, weil es sich um eine bloße Verlagerung der Steueransprüche aus einem späteren Zeitraum in einen früheren handelt und die Erstattungszinsen für den späteren Zeitraum wegen des kürzeren Zinszeitraums geringer sind als die Nachzahlungszinsen für den früheren Zeitraum. Der Gesetzgeber behandelt die Zinsansprüche für die einzelnen Steuertatbestände unabhängig voneinander. Die Folge, dass höhere Nachzahlungszinsen entstehen als Erstattungszinsen, entspricht daher der gesetzlichen Wertung und bildet keine sachliche Unbilligkeit.[10] Eine Unbilligkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass ein wegen der Karenzzeit noch nicht zu verzinsendes Steuerguthaben besteht.[11]

 

Rz. 94

Ebenfalls keine sachliche Unbilligkeit liegt vor, wenn USt nachgezahlt werden muss, weil kein Vorsteuerabzugsanspruch bestand, dieser Anspruch aber später infolge berichtigter Rechnungen entsteht.[12] In diesem Fall hatte der Stpfl. einen Liquiditätsvorteil, weil er den Vorsteuerabzug wegen Fehlens der ordnungsmäßigen Rechnungen nicht hätte geltend machen können. Dass später die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs geschaffen wurden, ist ein neuer Sachverhalt, der nicht zur sachlichen Unbilligkeit der Nachzahlungszinsen führt. Das gilt auch, wenn der Vorsteuerabzug aufgrund der berichtigten Rechnungen betragsmäßig den ursprünglich abgezogenen Vorsteuern entspricht. Eine Billigkeitsmaßnahme ist hinsichtlich der Nachzahlungszinsen nicht allein deshalb veranlasst, weil die höhere USt des Leistenden bei dem Leistungsempfänger Vorsteuer gewesen wäre. Die Billigkeit stellt nur auf die Person des Stpfl. ab, Verhältnisse anderer Personen können nicht einbezogen werden.[13]

 

Rz. 95

Andererseits ist eine Billigkeitsmaßnahme wegen Fehlens eines Liquiditätsvorteils nicht deshalb ausgeschlossen, weil bei demselben Sachverhalt Nachzahlung und Erstattungsanspruch in zwei verschiedenen Steuerarten anfallen, etwa Aufhebung der Erbschaft-/Schenkungsteuerfestsetzung und Festsetzung von ESt.[14]

 

Rz. 96

Ebenfalls der gesetzlichen Wertung entspricht es, dass Nachzahlungszinsen nach § 12 Nr. 3 EStG nicht von der Steuerbemessungsgrundlage abziehbar sind, Erstattungszinsen aber versteuert werden müssen. Auch dies führt nicht zu einer sachlichen Unbilligkeit.

Rz. 97 einstweilen f...

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