1 Allgemeines

 

Rz. 1

Die gesetzliche Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen dient der Ermittlung des steuerlichen Sachverhalts sowie der Schaffung von Kontrollmöglichkeiten.[1] Grundsätzlich ist hierbei zunächst davon auszugehen, dass die Erfüllung von gesetzlichen Verpflichtungen dem Stpfl. zumutbar ist. Wird der Zweck der gesetzlichen Verpflichtung allerdings nicht gefährdet, so sind nach § 148 AO die Finanzbehörden berechtigt, von den durch Steuergesetz begründeten Buchführungs-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten in Härtefällen Erleichterungen zu bewilligen. Zu Zeiten der RAO waren in diesem Zusammenhang §§ 160 Abs. 2 S. 2, 161 Abs. 2 S. 2 RAO als die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen zu beachten.[2]

 

Rz. 2

Die Bewilligung einer Erleichterung nach § 148 AO setzt das Bestehen einer Buchführungs- bzw. Aufzeichnungspflicht voraus.[3] Die Erleichterung ist hierbei eine im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde liegende Billigkeitsmaßnahme[4], auf deren Erlass kein Rechtsanspruch besteht. Wird die Bewilligung durch Allgemeinverfügung bzw. Verwaltungsanweisung (s. Rz. 3) ausgesprochen, hat der Stpfl. allerdings den grundgesetzlich gesicherten Anspruch auf Gleichbehandlung mit den anderen Stpfl. Nach dem Wortlaut der Bestimmung nicht zwingend ist ein Antrag des Stpfl. auf Bewilligung einer Erleichterung. Regelmäßig wird ein solcher Antrag aber der Bewilligung vorausgehen. Nach Ansicht der Finanzverwaltung soll eine Bewilligung nur ausgesprochen werden, wenn der Stpfl. diese beantragt.[5] Der Antrag kann allerdings durch eine Zustimmung ersetzt werden.[6]

 

Rz. 3

§ 148 AO gibt der Finanzbehörde die Rechtsgrundlage für eine "Einzelfallregelung" (s. Rz. 2), die allerdings auch durch eine Allgemeinverfügung bewilligt werden kann.[7] Zu einer generellen und dauerhaften Aufhebung der steuerlichen Pflichten ist die Finanzbehörde nach § 148 AO daher nicht befugt.[8] Dies kann nur durch den Gesetzgeber geschehen. Die Bewilligung einer Erleichterung nach § 148 AO ist Voraussetzung für die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2 UStG.[9]

[2] Trzaskalik, in HHSp, AO/FGO, § 148 AO Rz. 1; Mittelhammer, in Zugmaier/Nöcker, AO, 1. Aufl. 2021, § 148 AO Rz. 1.
[4] BFH v. 17.9.1987, IV R 31/87, BStBl II 1988, 20; FG Köln v. 27.7.1994, 10 K 4538/93, EFG 1995, 97; Drüen, in Tipke/Kruse AO/FGO, § 148 AO Rz. 1a; a. A. kein Ermessen, sondern gesetzlich vorgeschriebene Erleichterung Sauer, in Gosch, AO/FGO, § 148 AO Rz. 2.
[5] AEAO zu § 148 AO S. 4.
[6] Trzaskalik, in HHSp, AO/FGO, § 148 AO Rz. 9; Koenig/Haselmann, AO, 4. Aufl. 2021, § 148 Rz. 8.
[7] Trzaskalik, in HHSp, AO/FGO, § 148 AO Rz. 8.
[8] Niedersächsisches FG v. 20.5.1980, VI 354/79, EFG 1980, 475; Schleswig-Holsteinisches FG v. 12.5.1981, III 35/78, EFG 1981, 484; s. entspr. FG des Landes Brandenburg v. 22.10.2003, 2 K 618/02, EFG 2005, 1005; FG Thüringen v. 29.3.2007, IV 203/06, EFG 2007, 996; a. A. Schulze-Osterloh, WM 1977, 674.
[9] Trzaskalik, in HHSp, AO/FGO, § 148 AO Rz. 8.

2 Verfahren der Bewilligung

2.1 Bewilligung als Verwaltungsakt

 

Rz. 4

Soweit die Bewilligung der Erleichterung im Einzelfall erfolgt, handelt die Behörde durch einen begünstigenden Verwaltungsakt.[1] Soll die Bewilligung für eine bestimmte Fallgruppe ausgesprochen werden, so muss eine Allgemeinverfügung i. S. v. § 118 S. 2 AO ergehen. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob stets die an eine Allgemeinverfügung zu stellenden Anforderungen erfüllt sind[2], oder ob es sich um eine mangels ausreichender Ermächtigung fehlerhafte Verwaltungsanweisung[3] handelt. Auch auf eine solche Verwaltungsanweisung kann sich der Stpfl. unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes berufen (s. Rz. 2). Erleichterungen werden grundsätzlich nur auf Antrag bzw. mit Zustimmung des Stpfl. gewährt.[4]

[2] Drüen, in Tipke/Kruse AO/FGO, § 148 AO Rz. 15.
[3] Trzaskalik, in HHSp, AO/FGO, § 148 AO Rz. 13.
[4] Vgl. AEAO zu § 148 S. 4.

2.2 Besonderheiten der Bewilligung

 

Rz. 5

Die Erleichterung kann nach § 148 S. 2 AO auch mit Rückwirkung ausgesprochen werden. Durch eine solche rückwirkende Bewilligung stellt die Regelung die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung wieder her. Eine rückwirkende Bewilligung darf aber nur dann erfolgen, wenn die Erleichterung bei rechtzeitigem Antrag bewilligt worden wäre. Die Rückwirkung darf nämlich nicht dazu missbraucht werden, ungerechtfertigtes Fehlverhalten, das eine Steuerordnungswidrigkeit nach § 379 Abs. 1 AO darstellen würde, nachträglich zu sanktionieren.[1]

 

Rz. 6

Die Bewilligung kann nach §§ 130, 131 AO geändert werden.[2] Sie erfolgt nach § 148 S. 3 AO stets – auch ohne besondere Erwähnung – unter gesetzlichem Widerrufsvorbehalt, sodass der Widerruf nach § 131 Abs. 2 Nr. 1 AO jederzeit möglich ist.[3] Der Widerruf wirkt hierbei nur für die Zukunft. Eine Rücknahme ist hingegen unter den Voraussetzungen von § 130 Abs. 2 und 3 zulässig.

[1] Trzaskalik, in HHSp, AO/FGO, § 148 AO Rz. 14.
[2] Mittelhammer, ...

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