Leitsatz

Kosten für einen Zivilprozess, der die Rückabwicklung eines Grundstückskaufvertrags und eine Bankenhaftung zum Ziel hat, sind als außergewöhnliche Belastungen abziehbar. Das Niedersächsische FG folgt mit dieser Entscheidung der neueren BFH-Rechtsprechung zur steuerlichen Berücksichtigung von Zivilprozesskosten.

 

Sachverhalt

Ein lediger Angestellter erwarb eine Eigentumswohnung, ohne sie jemals vorher gesehen zu haben. Nach dem Kauf und der erstmaligen Besichtigung stellte sich heraus, dass Mängel an der Wohnung bestanden. Obwohl sich (nach langer Suche) schließlich ein Mieter für das Objekt fand, klagte der Käufer gegen den Verkäufer und begehrte die Rückabwicklung des Kaufvertrags. Von der finanzierenden Bausparkasse forderte er Schadenersatz im Wege der Bankenhaftung bei sog. "Schrottimmobilien"-Fällen. In der Klage führte er aus, dass der Kaufpreis um mehr als 100 % überhöht und der Kaufvertrag daher sittenwidrig sei. Den Prozess verlor er jedoch.

In seiner Einkommensteuererklärung 2010 machte der Käufer schließlich die Gerichts- und Anwaltskosten i. H. v. 10.796 EUR als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Nachdem das Finanzamt einen Werbungskostenabzug abgelehnt hatte, beantragte er einen Ansatz als außergewöhnliche Belastungen.

 

Entscheidung

Das FG entschied, dass die Kosten als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sind. Mit dieser Entscheidung folgte das Gericht der neueren BFH-Rechtsprechung, wonach Zivilprozesskosten - unabhängig vom Gegenstand des Rechtsstreits - aus rechtlichen Gründen zwangsläufig entstehen, da der Steuerpflichtige streitige Ansprüche regelmäßig nur auf dem Rechtsweg durchsetzen bzw. abwehren kann (BFH, Urteil v. 12.5.2011, VI R 42/10). Der BFH setzt für den Abzug lediglich voraus, dass sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat und der Rechtsstreit hinreichend erfolgversprechend war. Hiervon war im Urteilsfall auszugehen, da die Rechtsverfolgung aus Sicht eines verständigen Dritten und vom damaligen Standpunkt aus ("ex ante"-Sicht) hinreichende Erfolgsaussichten geboten hatte.

Ein Werbungskostenabzug bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung lehnte das FG ab, weil der Zivilprozess auf die Rückabwicklung des Kaufvertrags gerichtet war und daher der erforderliche Zusammenhang zur Vermietungstätigkeit fehlte.

 

Hinweis

Das BMF hat mit Nichtanwendungserlass v. 20.12.2011 (IV C 4-S 2284, BStBl 2011 I S. 1286) erklärt, dass es die neue BFH-Rechtsprechung zu Zivilprozesskosten nicht anerkennt. Die Finanzverwaltung hält daher an den bisherigen (strengeren) Abzugskriterien fest, wonach Zivilprozesskosten nur dann als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden dürfen, wenn der Rechtsstreit eine existenzielle Bedeutung für den Steuerpflichtigen hat. Ab dem Veranlagungszeitraum 2013 wurde der Standpunkt der Finanzverwaltung gesetzlich in § 33 Abs. 2 S. 4 EStG n. F. verankert (durch das AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013, BGBl I S. 2013, 1809).

Die Revision ist beim BFH unter dem Az. VI R 31/13 anhängig.

 

Link zur Entscheidung

Niedersächsisches FG, Urteil vom 15.05.2013, 9 K 238/12

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