Leitsatz

1. Auch strafbare Handlungen, die im Zusammenhang mit einer betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit stehen, können Erwerbsaufwendungen begründen (Anschluss an das Senatsurteil vom 9. Dezember 2003 VI R 35/96, BFHE 205, 56, BStBl II 2004, 641).

2. Die Annahme von Erwerbsaufwendungen setzt allerdings auch in diesen Fällen voraus, dass die – die Aufwendungen auslösenden – schuldhaften Handlungen noch im Rahmen der betrieblichen oder beruflichen Aufgabenerfüllung liegen und nicht auf privaten, den betrieblichen oder beruflichen Zusammenhang aufhebenden Umständen beruhen.

3. Eine erwerbsbezogene Veranlassung wird aufgehoben, wenn die strafbaren Handlungen mit der Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen nur insoweit im Zusammenhang stehen, als diese eine Gelegenheit zu einer Straftat verschafft. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber bewusst schädigen wollte oder sich oder einen Dritten durch die schädigende Handlung bereichert hat.

4. Der Umstand, dass der Senat die Revision zugelassen hat, steht dem Verfahren nach § 126a FGO nicht entgegen.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 12, § 19 EStG, § 76 Abs. 2, § 96 Abs. 2, § 126a, § 155 FGO, § 295 ZPO, § 89 Abs. 2 AO, Art. 103 Abs. 1 GG

 

Sachverhalt

Der Kläger war Vorstandsmitglied einer AG und gleichzeitig an dieser beteiligt. Aus dieser Aktienbeteiligung floss ihm für das Geschäftsjahr 1997 eine Dividendenzahlung zu. Nach der Veräußerung der Beteiligung und dem Ausscheiden aus dem Vorstand wurde der Kläger wegen des Erstellens einer falschen Bilanz zum 31.12.1997 strafrechtlich zur Verantwortung gezogen.

Überdies machte die AG zivilgerichtlich Schadensersatzansprüche gegen ihn geltend. Der Zivilrechtsstreit wurde durch einen Vergleich beendet.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2009) wollte der Kläger Zahlungen hierauf als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit berücksichtigt wissen. Finanzamt und Finanzgericht lehnten dies ab. Die Zahlungen seien nicht beruflich, sondern privat veranlasst. Auf eine anderslautende verbindliche Zusage/tatsächliche Verständigung könne er sich nicht berufen (FG Köln, Urteil vom 29.10.2014, 5 K 463/12, Haufe-Index 8151970, EFG 2015, 1524).

 

Entscheidung

Die Revision des Klägers wies der BFH aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen als unbegründet zurück. Dabei verfuhr er nach § 126a FGO. Dem stand der Umstand, dass der Senat die Revision zugelassen hatte, nicht entgegen.

 

Hinweis

1. Auch schuldhaft verursachte Aufwendungen können als Erwerbsaufwendungen zu berücksichtigen sein. In diesen Fällen ist nicht stets die private Lebensführung des Steuerpflichtigen betroffen (BFH, Beschluss vom 28.11.1977, GrS 2-3/77, BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105).

2. Dementsprechend können auch strafbare Handlungen, die im Zusammenhang mit einer betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit stehen, Erwerbsaufwendungen begründen und die sich aus ihnen ergebenden Schadensersatzverpflichtungen zu Werbungskosten oder Betriebsausgaben sowie Betriebsschulden bzw. Rückstellungen i.S.d. § 5 Abs. 1 EStG i.V.m. § 249 HGB führen.

Dieses Ergebnis folgt nicht nur aus dem objektiven Nettoprinzip, sondern ergibt sich auch aus § 40 AO (ständige BFH-Rechtsprechung; z.B. BFH, Beschluss vom 20.7.1994, I B 11/94, BFH/NV 1995, 198; BFH, Urteil vom 2.10.1992, III R 54/91, BFHE 169, 423, BStBl II 1993, 153 und BFH, Urteil vom 9.12.2003, VI R 35/96, BFH/NV 2004, 865).

3. Die Annahme von Erwerbsaufwendungen setzt in diesen Fällen allerdings voraus, dass die – die Aufwendungen auslösenden – schuldhaften Handlungen noch im Rahmen der betrieblichen oder beruflichen Aufgabenerfüllung liegen und nicht auf privaten, den betrieblichen oder beruflichen Zusammenhang aufhebenden Umständen beruhen.

So greifen nach der Rechtsprechung private Gründe dann durch, wenn die strafbaren Handlungen mit der Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen nur insoweit im Zusammenhang stehen, als diese eine Gelegenheit zu einer Straftat verschafft.

Ein erwerbsbezogener Veranlassungszusammenhang wird auch aufgehoben, wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber bewusst schädigen wollte oder sich oder einen Dritten durch die schädigende Handlung bereichert hat (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 3.5.1985, VI R 103/82, BFH/NV 1986, 392; BFH, Urteil vom 19.3.1987, IV R 140/84, BFH/NV 1987, 577; BFH, Urteil vom 18.9.1987, VI R 121/84, BFH/NV 1988, 35 und BFH, Urteil vom 18.10.2007, VI R 42/04, BFH/NV 2008, 155).

Einhellige Zustimmung

Diese von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu schuldhaft veranlassten Aufwendungen finden in der Literatur einhellige Zustimmung.

4. Damit ist der Werbungskostenabzug von Schadensersatzleistungen ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige (strafbewehrt) eine fehlerhafte Bilanz erstellt und aufgrund der geschönten Gewinndarstellung eine Gewinnausschüttung erhält. Entsprechendes gilt, wenn er dadurch den Wert seiner Beteiligung verfälscht und bei einer Veräußerung seiner Beteiligung einen ansonsten am Markt nicht erzielbaren Kaufpreis erh...

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