Leitsatz

Die Beantwortung eines Sammelauskunftsersuchens der Steuerfahndung zu Daten der Nutzer einer Internethandelsplattform kann nicht wegen einer privatrechtlich vereinbarten Geheimhaltung dieser Daten abgelehnt werden.

 

Normenkette

§ 24, § 30a, § 93, § 97, § 208 Abs. 1 AO, § 118 Abs. 2 FGO, Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, hatte ihren Betrieb einer Internethandelsplattform für Drittanbieter in Deutschland auf ihre in Luxemburg ansässige Schwestergesellschaft (S) übertragen. Gegenüber S hatte sich die Klägerin verpflichtet, umfangreiche Datenverarbeitungsleistungen auf der Grundlage luxemburgischen (Datenschutz-)Rechts zu erbringen sowie die erfassten personenbezogenen Daten ausschließlich gem. den Weisungen der S und nur im Einklang mit den Gesetzen von Luxemburg zu verarbeiten, sie der S auf Anfrage zugänglich zu machen und sie ohne Zustimmung der S oder der Betroffenen in keinem Fall an Dritte weiterzugeben.

Das FA für Fahndung und Strafsachen ersuchte die Klägerin um Angaben dazu, welche Nutzer vom 1.1.2007 bis 31.12.2009 Verkäufe für mehr als 17.500 EUR über die Internethandelsplattform getätigt hatten. Dazu sollten u.a. Name, Anschrift und Bankverbindung dieser Nutzer angegeben werden. Die dagegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG hob das Sammelauskunftsersuchen mit der Begründung auf, der Klägerin sei die Auskunftserteilung in tatsächlicher Hinsicht nicht möglich. Die Klägerin habe keine Zugriffsrechte auf die auf ausländischen Servern gespeicherten Daten (Niedersächsisches FG, Urteil vom 23.2.2012, 5 K 397/10, Haufe-Index 2945034, EFG 2012, 1222).

 

Entscheidung

Der BFH hat die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Es fehlten hinreichende tatsächliche Feststellungen dafür, dass der Klägerin ein Zugriff auf die auf ausländischen Servern gespeicherten Daten aus technischen Gründen nicht möglich sei. Auf die vertraglich begründete Geheimhaltungspflicht gegenüber S kann sich die Klägerin nicht berufen. Das FG hat bei seiner erneuten Entscheidung Feststellungen dazu zu treffen, ob die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen erfüllt sind und ob dieses dem Grunde und dem Umfang nach erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist. In diesem Rahmen ist insbesondere festzustellen, ob ein hinreichender Anlass für das Sammelauskunftsersuchen bestand, ob der Ermittlungsaufwand für die Klägerin ein einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Angelegenheit steht, ob das FA auch selbst die angeforderten Daten im Internet ermitteln könnte und ob das Auskunftsersuchen in ausreichender Weise die geschäftlichen Interessen der Klägerin wahrt.

 

Hinweis

1.Ein Sammelauskunftsersuchen konkretisiert die sich aus § 93 AO ergebende Auskunftspflicht, die sowohl für die Beteiligten eines Steuerverwaltungsverfahrens als auch für andere Personen gilt. Auch die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung (§ 85 AO). Wegen der verfassungsrechtlichen Bedeutung dieser Besteuerungsgrundsätze und der verfassungsgeforderten Ergänzung des Deklarationsprinzips durch das Verifikationsprinzip rechtfertigt die Auskunftspflicht auch Eingriffe in den grundrechtsverbürgten Datenschutz. Insbesondere verstößt § 93 Abs. 1 Satz 1 AO nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

2.Auskunftsverlangen der Finanzbehörden an andere Personen unterliegen freilich bestimmten Grenzen. Sie müssen insbesondere den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit genügen. Zudem kann sich ein Auskunftsverlangen nur auf solche Unterlagen beziehen, die sich in der Verfügungsmacht des Auskunftspflichtigen befinden oder hinsichtlich derer er einen Herausgabeanspruch hat.

3. Der Auskunftspflicht kann jedoch nicht dadurch ausgewichen werden, dass sich der Auskunftspflichtige in einem zivilrechtlichen Vertrag gegenüber einem Dritten zur Geheimhaltung der entsprechenden Daten verpflichtet. Die Auskunftspflicht unterliegt nicht der Disposition Privater. Vielmehr bedarf ein Auskunfts- oder Vorlageverweigerungsrecht einer gesetzlichen Grundlage, wie sie sich aus §§ 101 ff. AO ergibt.

4.Die Befugnis der Steuerfahndungsstellen, im Rahmen ihres Aufgabenbereichs Sammelauskunftsersuchen zur Ermittlung des Sachverhalts auszubringen, steht im Grundsatz außer Frage. Diese Auskunftsersuchen können auch gegenüber anderen Personen als den Beteiligten eines Steuerverwaltungsverfahrens ergehen. Insbesondere ­erstreckt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten.

Dabei muss für ein Sammelauskunftsersuchen ein hinreichender Anlass bestehen. Er liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig.

 

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