Leitsatz

Ein Vorsteuerabzug ist auch aus Rechnungen möglich, die eine Anschrift ausweisen, unter der keine geschäftlichen bzw. zumindest keine büromäßigen Aktivitäten stattfinden.

 

Sachverhalt

Das Finanzamt verweigerte dem Kläger, einem Kfz-Einzelhändler, die Vorsteuererstattung aus Rechnungen über den Einkauf von Fahrzeugen. Nach Ansicht des Finanzamtes handelte es sich bei dem Rechnungsaussteller um eine Scheinfirma, weil nicht festgestellt werden konnte, dass unter der angegebenen Anschrift irgendwelche geschäftliche Aktivitäten des Rechnungsausstellers stattgefunden haben. Zumindest stand fest, dass der Rechnungsaussteller unter der angegebenen Adresse keine büromäßigen Aktivitäten ausführen konnte, weil er insoweit nicht über geeignete Räumlichkeiten verfügte. Der Kläger hatte jedoch versichert, dass er die Fahrzeuge bei seinem Geschäftspartner "vor Ort" abgeholt habe. Außerdem hatte er dessen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer im Rahmen seiner Möglichkeiten überprüft, ebenso den Personalausweis, einen Handelsregisterauszug und die Steuernummer. Nachdem das Finanzamt den Vorsteuerabzug wegen "falscher Rechnungsanschrift" abgelehnt hatte, stellte der Kläger einen Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO, den das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung zurückwies.

 

Entscheidung

Die Klage vor dem Finanzgericht hatte Erfolg. Das Finanzgericht berücksichtigte den Vorsteuerabzug aus den streitbefangenen Rechnungen, obwohl an der angegebenen Anschrift keine geschäftlichen Aktivitäten stattgefunden haben. In Anbetracht der technischen Fortentwicklung und der Änderung von Geschäftsgebaren hält das Gericht die Anforderungen an die Anschrift, dass dort geschäftliche Aktivitäten stattfinden müssen, für überholt. Der Bundesfinanzhof gebe für dieses Kriterium auch keine Begründung. So verwiesen die neueren Entscheidungen lediglich auf den Beschluss vom 14.3.2000 (Az.: V B 187/99) und dieser wiederum verweise ohne Begründung auf das Urteil vom 27.6.1996 (Az.: V R 51/93), welches in Randziffer 17 eher für das Gegenteil spreche. Die Angabe der Anschrift auf der Rechnung hat den Zweck, den leistenden Unternehmer eindeutig zu identifizieren und soll es u. a. auch der Finanzverwaltung ermöglichen, den Unternehmer postalisch zu erreichen. Ist die postalische Erreichbarkeit (z. B. um Schreiben zu übersenden bzw. Schriftstücke zuzustellen) gewährleistet, kommt es nicht darauf an, welche Aktivitäten unter der Postanschrift erfolgen.

 

Hinweis

Nach Ansicht des Finanzgerichts ist das Kriterium der "geschäftlichen Aktivitäten", die unter der Rechnungsadresse ausgeführt werden müssen, viel zu unbestimmt. So kann man sich nämlich schon fragen, ob dort Kunden empfangen werden müssen oder ob sich der leistende Unternehmer dort regelmäßig selbst aufhalten muss? Wenn ja, wie lange? Muss er dort wirklich im Büro geschäftlich tätig werden oder reicht es aus, wenn er dort Zeitung liest und ansonsten von unterwegs mit Handy und Laptop tätig wird? Und wer soll denn überprüfen, in welchem (nicht bestimmten) Umfang unter der Anschrift geschäftliche Aktivitäten stattfinden?

Die Entscheidung des Finanzgerichts ist ein Lichtblick für alle Betroffenen und sollte Eingang in die Abwehrberatung finden, zumal zwischenzeitlich das Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen V R 25/15 anhängig geworden ist.

Dabei darf allerdings nicht vergessen werden, dass der Bundesfinanzhof auch in seiner neueren Rechtsprechung offenbar daran festhält, dass unter der in der Rechnung genannten Anschrift tatsächlich auch geschäftliche Aktivitäten stattfinden müssen (vgl. Beschluss v. 26.9.2014, XI S 14/14 und v. 18.2.2015, V S 19/14). Allerdings kann nach den Umständen des Einzelfalles auch die Angabe eines Briefkastensitzes mit postalischer Erreichbarkeit als Anschrift, die die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG erfüllt, genügen (vgl. BFH-Beschluss v. 26.9.2014, XI S 14/14).

 

Link zur Entscheidung

FG Köln, Urteil vom 28.04.2015, 10 K 3803/13

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