Leitsatz

Schuldet ein Rechtsanwalt seine Leistung trotz Beibehaltung der rechtlichen Selbstständigkeit aufgrund eines Beratungsvertrags im Wesentlichen wie ein Arbeitnehmer, so kommt im Zusammenhang mit diesem Vertrag eine Entschädigung i.S.v. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG bei ihm nach den Grundsätzen in Betracht, die für Arbeitnehmer gelten.

 

Normenkette

§ 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2, § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, Art. 3 Abs. 1 GG

 

Sachverhalt

Ein Rechtsanwalt und Notar verpflichtete sich mit einem Rechtsberatungsvertrag, unter Beibehaltung seiner Selbstständigkeit die laufende Rechtsberatung einer GmbH zu übernehmen. Im Gegenzug verpflichtet sich die GmbH, an den Kläger monatlich 5.000 DM zu zahlen, und sagte ihm eine betriebliche Altersversorgung wie einem Geschäftsführer zu. Später sollte der Kläger aufgrund eines neuen Rechtsberatungsvertrags ein jährliches Beratungshonorar von "netto 0,20 % des Planumsatzes" der GmbH erhalten. Die Versorgungszusage wurde unverändert fortgeschrieben.

Später kündigte die GmbH den Beratungsvertrag mit sofortiger Wirkung. Dem widersprach der Kläger. Vor dem Oberlandesgericht einigten sich die Beteiligten vergleichsweise auf die Aufhebung des Vertrags. Die GmbH zahlte eine Abfindung i.H.v. 1,7 Mio. DM.

Das FA war der Auffassung, dass die Entschädigung nicht ermäßigt besteuert werden könne.

Das FG hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen (Niedersächsisches FG, Urteil vom 12.2.2009, 14 K 622/04, EFG 2010, 421).

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück. Das FG habe zu Unrecht die Anwendung der Tarifbegünstigung versagt. Schulde ein Rechtsanwalt seine Leistung trotz Beibehaltung der rechtlichen Selbstständigkeit aufgrund eines Beratungsvertrags im Wesentlichen wie ein Arbeitnehmer, so komme im Zusammenhang mit diesem Vertrag eine Entschädigung i.S.v. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG bei ihm nach den Grundsätzen in Betracht, die für Arbeitnehmer gelten.

Der Senat könne mangels tatsächlicher Feststellungen indes nicht entscheiden, ob das Beratungsvertragsverhältnis des Klägers arbeitnehmerähnlich ausgestaltet gewesen und wie vereinbart tatsächlich durchgeführt worden sei. Dies müsse das FG im zweiten Rechtsgang feststellen.

 

Hinweis

1. Im Bereich der Gewinneinkünfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 EStG) ist eine Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen i.S.v. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht anzunehmen für Einnahmen (Einkünfte) aus Geschäftsvorfällen, die der laufenden Geschäftsführung zuzurechnen sind. Solche Einnahmen führen zu laufenden Einkünften, die nicht tarifbegünstigt besteuert werden.

2. Bei Steuerpflichtigen, die im Rahmen ihrer gewerblichen oder selbstständigen Tätigkeit üblicherweise eine Vielzahl von Verträgen abschließen, gehören auch die Kündigung oder Auflösung einzelner Verträge sowie deren Abwicklung nach Leistungsstörungen zur laufenden Geschäftsführung. Es handelt sich insofern nicht um ungewöhnliche Geschäftsvorfälle. Eine Entschädigung i.S.v. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG ist deshalb grundsätzlich noch nicht anzunehmen, wenn Schadenersatz oder Ausgleich für die Nichterfüllung eines (üblichen) Vertrags geleistet wird.

3. Diese Grundsätze gelten ebenso für selbstständig tätige Rechtsanwälte. Die (unberechtigte) Kündigung eines üblichen Mandatsvertrags führt für einen Rechtsanwalt grundsätzlich nicht zu Einnahmen gem. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, wenn er für den entgangenen Gewinn entschädigt wird.

4. Demgegenüber hat die Rechtsprechung § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG bei den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit stets deutlich großzügiger gehandhabt.

a) Bei Arbeitnehmern wendet die Rechtsprechung § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG bereits dann an, wenn die Zahlung unmittelbar durch den Verlust von steuerbaren Einnahmen bedingt (veranlasst) und dazu bestimmt ist, diesen Verlust auszugleichen. Sie muss außerdem (funktional) auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen. Nicht (mehr) erforderlich ist, dass der Arbeitnehmer seine Tätigkeit vollständig einstellt.

b) Hinzukommen muss weiterhin, dass es sich um ein "besonderes Ereignis" handelt. Dies setzt nicht voraus, dass die Entschädigung für den vollständigen Verlust der (einzigen) Einkunftsquelle geleistet wird. Vielmehr ist ein "besonderes Ereignis" schon dann anzunehmen, wenn die Beendigung oder Änderung des Vertrags vom Arbeitgeber ausgeht oder wenn der Arbeitnehmer beim Abschluss einer Aufhebungs- oder Änderungsvereinbarung unter einem nicht unerheblichen rechtlichen, wirtschaftlichen oder tatsächlichen Druck gehandelt hat.

5. Bei der Anwendung von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG sind die für Arbeitnehmer geltenden Grundsätze (analog) zu beachten, wenn im Rahmen der selbstständigen Tätigkeit eines Rechtsanwalts ein Geschäftsbesorgungs- oder Rechtsberatungsvertrag arbeitnehmerähnlich ausgestaltet ist. Dies gebietet die rechtliche Gleichbehandlung von wesentlich Gleichem.

a) Ob der Beratungsvertrag mit einem Rechtsanwalt arbeitnehmerähnlich...

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