Zusammenfassung

 
Überblick

Der Rangrücktritt ist ein bewährtes Instrument der Sanierungspraxis. Er hat das Ziel, den Eintritt einer insolvenzrechtlichen Überschuldung zu vermeiden oder – falls diese schon eingetreten ist – sie zu beseitigen. . Bei dem Rangrücktritt handelt es sich um einen Vertrag, in dem der Gläubiger – i. d. R. ein Gesellschafter – gegenüber dem Schuldner (der Gesellschaft) erklärt, dass seine Forderung nachrangig gegenüber Forderungen anderer Gläubiger bis zur Überwindung der Krise der Gesellschaft sein soll. Die Erfüllung soll nur noch aus einem künftigen Gewinn, Liquidationsüberschuss und/oder sonstigen freien Vermögen der Gesellschaft erfolgen (sog. Besserungsabrede).

Im Gegensatz zum Forderungserlass mit Besserungsschein liegt der Vorteil des Rangrücktritts darin, dass der Bestand und Höhe der Schuld unverändert bleibt und damit auch der Anspruch auf Verzinsung nicht verloren geht.

Der Rangrücktritt hat zum Ziel, dass die Verbindlichkeit nicht mehr in der Überschuldungsbilanz als "Schuld" zu qualifizieren ist, sondern dass sie für insolvenzrechtliche Zwecke als Eigenkapital anzusehen ist. Zudem soll die Verbindlichkeit in der Steuerbilanz weiterhin als Fremdkapital ausgewiesen werden, um eine Ausbuchung mit Gewinnrealisation nach § 5 Abs. 2a EStG zu vermeiden.

Damit der Rangrücktritt zur Vermeidung einer Insolvenz wirksam ist, müssen entsprechende Voraussetzungen erfüllt sein. So hat der BGH im Jahr 2015 richtungsweisende Grundsätze hierzu veröffentlicht und die Anforderungen an einen Rangrücktritt zugunsten der Gläubiger konkretisiert

Auch im Steuerrecht steht der Rangrücktritt immer wieder zur Diskussion im Rahmen von Betriebsprüfungen. Der  BFH hat in den letzten Jahren seine Rechtsprechung geändert und zugelassen, dass der Ertrag aus der Ausbuchung der Verbindlichkeit in der Steuerbilanz (§ 5 Abs. 2a EStG) unter gewissen Voraussetzungen durch Ansatz einer verdeckten Einlage i. H. des werthaltigen Anteils kompensiert werden kann.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Überschuldung liegt nach § 19 Abs. 2 S. 1 InsO vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Der Rangrücktritt ist in § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO kodifiziert. Demnach heisst es, dass Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, für die gem. § 39 Abs. 2 InsO zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 InsO bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist (Rangrücktritt), nicht bei den Verbindlichkeiten nach Satz 1 zu berücksichtigen sind. Damit ein Rangrücktritt für Zwecke der Überschuldungsbilanz wirksam formuliert ist, sind die Leitsätze des Grundsatzurteils des BGH vom 5.3.2015, IX ZR 133/14, DStR 2015 S. 767 (mit Anm. Kahlert in DStR 2015 S. 734) zu beachten.

Verbindlichkeiten sind im Handelsrecht grundsätzlich nach § 247 Abs. 1 HGB zu passivieren. Dies gilt auch für die Steuerbilanz (§ 8 Abs. 1 KStG, § 5 Abs. 1 EStG), es sei denn die steuerlichen Vorschriften sehen andere Regelungen vor. Nach § 5 Abs. 2a EStG sind Verbindlichkeiten, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, erst dann anzusetzen, wenn die Einnahmen oder Gewinne tatsächlich angefallen sind. Wann hingegen eine Verbindlichkeit mit Rangrücktritt steuerlich zu passivieren ist, wurde verschiedentlich vom BFH beurteilt. Einschlägige Urteile sind insbesondere BFH, Urteil v. 19.8.2020, XI R 32/18, BFH/NV 2021 S. 228; BFH, Urteil v. 10.8.2016, I R 25/15, BStBl 2017 II S. 670BFH, Urteil v. 28.9.2016, II R 64/14, BStBl 2017 II  S. 104; BFH, Urteil v. 15.4.2015, I R 44/14, BFH/NV 2015 S. 1177; BFH, Urteil v. 7.5.2014, X R 19/11, BFH/NV 2014 S. 1736, BFH, Urteil v. 6.2.2013, I R 62/11; BFH, Urteil v. 12.7.2012, I R 23/11BFH, Urteil v. 30.11.2011, I R 100/10, BStBl 2012 II S. 332 und BFH, Urteil v. 10.11.2005, IV R 13/04, BStBl 2006 II S. 618. Auch die Finanzverwaltung hat sich im BMF-Schreiben vom 8.9.2006, IV B 2 – S 2133 – 10/06, BStBl 2006 I S. 497, zur Passivierung von Verbindlichkeiten mit Rangrücktritt geäußert.

1 Hintergründe

Ist eine juristische Person (z. B. GmbH) zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber 3 Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, einen Eröffnungsantrag (Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens) zu stellen.[1]

Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt.[2] Ob eine insolvenzrechtliche Überschuldung vorliegt, ist laut Regierungsbegründung zur Insolvenzordnung anhand eines sog. Überschuldungsstatus zu prüfen. Dabei sind die vorhandenen Vermögensgegenstände mit Zeitwerten am Bilanzstichtag (d. h. Wiederbeschaffungskosten oder Realisationswerte unter Aufdeckung der stillen Rese...

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