Leitsatz

Ein dem Gewinner der Fernsehshow "Big Brother" ausgezahltes Preisgeld ("Projektgewinn") ist als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG zu besteuern, wenn die Auskehrung des Preisgeldes nach Maßgabe und Durchführung des entgeltlichen (Teilnahme‐)Vertrags als Gegenleistung für sein (aktives wie passives) Verhalten während seines Aufenthaltes im "Big-Brother-Haus" zu beurteilen ist.

 

Normenkette

§ 657 BGB, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 22 Nr. 3 EStG

 

Sachverhalt

K verpflichtete sich, an der 5. Staffel von Big Brother teilzunehmen. K schuldete – wie alle anderen Kandidaten auch – dem BB-Veranstalter seine ständige Anwesenheit im BB-Haus; er musste sich während seines Aufenthalts ununterbrochen filmen und belauschen lassen und nach Auswahl an Wettbewerben mit anderen Kandidaten teilnehmen. Er gewann die Staffel und erhielt das Preisgeld von 1 Mio. EUR. FA und FG unterwarfen es der Besteuerung (FG Köln, Urteil vom 29.10.2009, 15 K 2917/06, Haufe-Index 2296329, EFG 2010, 570).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Entscheidung des FG und wies die Revision als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Viele der geneigten Leser werden wissen, was sich hinter "Big Brother" verbirgt. Einige denken natürlich sofort an den Hintergrundprotagonisten aus George Orwell´s 1984, dort ist der Große Bruder (Big Brother) eine Fiktion, eine Massensuggestion, die weder ganz wahr noch ganz unwahr ist. Man kann weder wissen, dass es ihn gibt, noch, dass es ihn nicht gibt. Er existiert in den Köpfen, eben weil er existieren könnte.

Welche Ähnlichkeit mit unserem TV-Big Brother (BB)! Hier begibt sich unser Herr K ein ganzes Jahr in einen "Container", in ein BB-Haus, um darin ununterbrochen beobachtet, belauscht und gefilmt zu werden. Anders als Winston – und für die steuerrechtliche Betrachtung der ganz wesentliche Unterschied – begibt sich K nun aber freiwillig in die Gefangenschaft und erhält dafür auch eine Gegenleistung, zusätzlich die Aussicht auf eine hohe Siegprämie. Diese Aussicht wurde für K zur Realität, und er erreichte die Gunst des ihn beobachtenden und belauschenden Publikums als der Big Brother der Unterhaltungsindustrie.

2. Die Frage war, ob unser K nun eine Leistung erbracht hat. Eine sonstige Leistung i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das weder eine Veräußerung noch einen veräußerungsähnlichen Vorgang im Privatbereich betrifft, Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann und eine Gegenleistung auslöst. Dabei ist unerheblich, ob sich das Verhalten mit oder ohne Mühe zeigt, mit welcher Qualität es erbracht wird, ob eine gute, schlechte oder gar keine schauspielerische Leistung gegeben ist, sozialadäquates oder untypisches, natürliches, alltägliches oder indifferentes Verhalten vorliegt oder ob mit Blick auf das Veranstalterinteresse und/oder das anstehende Publikumsvotum telegenes, taktisches oder sonstiges Verhalten an den Tag gelegt wird. Auch Dauer und Häufigkeit der Leistungen sind ohne Bedeutung; ebenso wenig ist ein synallagmatisches Verhältnis von Leistung und Gegenleistung im Sinne eines Austauschverhältnisses erforderlich.

Nach so viel "Negativabgrenzung" fragt man sich natürlich, worauf es denn nun positiv ankommt. Entscheidend ist für die Steuerbarkeit, ob das Entgelt (die Gegenleistung) durch das Verhalten des Steuerpflichtigen (wirtschaftlich) veranlasst ist; dafür genügt es, dass die Gegenleistung durch das Verhalten des Steuerpflichtigen – wenn auch erst nachträglich – "ausgelöst" wird. Will § 22 Nr. 3 EStG das Ergebnis einer Erwerbstätigkeit erfassen, so verlangt erwerbstätiges Verhalten nicht, dass der Leistende bereits beim Erbringen seiner Leistung eine Gegenleistung erwarten muss. Ausreichend ist, dass er eine im wirtschaftlichen Zusammenhang mit seinem Verhalten gewährte Gegenleistung als solche annimmt und sein Verhalten auf diese Weise der erwerbswirtschaftlichen – steuerrechtlich bedeutsamen – Sphäre zuordnet. Darin unterscheidet sich steuerrechtlich unerhebliches Spiel von "Castings-Shows", "Star-Suche" und ähnlichen Veranstaltungen, bei denen für die Vornahme einer Handlung oder die Herbeiführung eines Erfolgs ein Preisgeld ausgesetzt wird und als solches angenommen wird.

3. Nach diesen Maßstäben erfüllt das Verhalten unseres K den Tatbestand des § 22 Nr. 3 EStG. Er musste sich aufgrund eines Teilnehmervertrags unentwegt beobachten und belauschen lassen und wurde währenddessen gefilmt. Dieses aktive und passive Verhalten ist als geschuldete und erbrachte Leistung zu beurteilen, auch wenn es nur um die Verrichtung alltäglicher Dinge ging. Nach den eingegangenen Verpflichtungen war auch die Privatsphäre des K einbezogen. So ganz normal und alltäglich ist das ja nicht; erinnern wir uns an Orwell: Big Brother existiert in den Köpfen – auch in dem des K – eben weil er existieren könnte.

Die weitere Subsumtion ergibt sich aus den Grundsätzen: Die Auszahlung des Projektgewinns an K war auf sein Verhalten im BB-Haus zurückzuführen und ist also dadurch ausgelöst worden. Aus der Sicht...

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