Leitsatz

1. Nimmt ein Aufsichtsrat einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft an einer Maßnahme zum Bezug neuer Aktien teil, die nur Mitarbeitern und Aufsichtsratsmitgliedern der Gesellschaft eröffnet ist, und hat er die Option, die von ihm gezeichneten Aktien innerhalb einer bestimmten Frist zum Ausgabekurs an die Gesellschaft zurückzugeben, so erzielt er Einkünfte aus selbstständiger Arbeit, wenn er die unter dem Ausgabepreis notierenden Aktien innerhalb der vereinbarten Frist zum Ausgabepreis an die Gesellschaft zurückgibt.

2. Die Höhe der Einkünfte bemisst sich nach der Differenz zwischen Ausgabepreis und dem tatsächlichen Wert der Aktien im Zeitpunkt der Ausübung der Option.

3. Der Zufluss erfolgt im Zeitpunkt der Ausübung der Option.

 

Normenkette

§ 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger war Vorstand des Aufsichtsrats einer nicht börsennotierten AG, die im Zuge eines Mitarbeiterbeteiligungsprogramms neue Aktien ausgegeben hatte. Zum Erwerb waren Mitarbeiter und Aufsichtsratsmitglieder der AG berechtigt. Der Kläger erwarb insgesamt 10.000 Aktien zum Stückpreis von 11,50 EUR. Ihm war vertraglich die Möglichkeit eingeräumt, die von ihm gezeichneten Aktien bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zum Ausgabekurs an die AG zurückzugeben. Von dieser Möglichkeit machte der Kläger Gebrauch.

Das FA kam zu dem Schluss, im Zeitpunkt der Rückgabe hätten die Aktien nur noch einen Wert von 4 EUR je Stück besessen, und ermittelte für den Kläger einen geldwerten Vorteil von 75.000 EUR.

Das FG ermäßigte aufgrund einer tatsächlichen Verständigung die Höhe des geldwerten Vorteils, wies die Klage aber im Übrigen ab (Niedersächsisches FG, Urteil vom 3.3.2010, 2 K 324/08, Haufe-Index 2711739).

 

Entscheidung

Die Revision des Klägers blieb erfolglos. Der BFH führte aus, der Kläger habe mit der Rückgabe der Aktien zum Ausgabepreis von 11,50 EUR, obwohl deren tatsächlicher Wert im Zeitpunkt der Rückgabe lediglich 6 EUR betrug, einen geldwerten Vorteil i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG von 5,50 EUR je Aktie erlangt. Im Ausgleich des zwischenzeitlich eingetretenen Wertverlusts der Aktien liege der geldwerte Vorteil i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG, denn ein fremder Dritter, dem die Möglichkeit der Rückgabe der Aktien zum Ausgabepreis nicht eröffnet gewesen wäre, hätte je Aktie einen Verlust von 5,50 EUR erlitten.

Zugeflossen sei dieser Vorteil dem Kläger im Zeitpunkt der Ausübung der Option.

Auf die Gewährung des steuerpflichtigen geldwerten Vorteils des Klägers finde das Halbeinkünfteverfahren gem. § 20 Abs. 2 EStG a.F. i.V.m. § 3 Nr. 40 Buchst. f EStG a.F. keine Anwendung. Der dem Kläger erstattete Wertverlust sei kein Entgelt für eine Kapitalüberlassung im weitesten Sinne. Der Kläger habe diesen Vorteil nicht erhalten, weil er Aktien der AG gegen Entgelt erworben habe, sondern weil ihm als Mitglied des Aufsichtsrats der AG die Möglichkeit eröffnet werden sollte, Aktien der AG ohne jedes wirtschaftliche Risiko zu zeichnen. Auch wenn der Vorteil an den Erwerb neuer Aktien geknüpft gewesen sei, habe doch im Vordergrund gestanden, dass dieser Vorteil untrennbar mit der persönlichen Eigenschaft des Klägers als Vorstand des Aufsichtsrats der AG verknüpft gewesen sei.

 

Hinweis

1. Es ist nichts Neues, dass die Zuwendung von geldwerten Gütern steuerpflichtig ist, sofern zwischen der Zuwendung und einer Einkunftsart ein konkreter Veranlassungszusammenhang gegeben ist.

2. Ob solche Einnahmen auf einem Leistungsaustausch beruhen, sie zu Einkünften aus einer bestimmten Einkunftsart zählen, oder ob sie aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung dem nicht steuerbaren Bereich zuzurechnen sind, ist aufgrund einer tatsächlichen Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls zu entscheiden, die dem FG als Tatsacheninstanz obliegt.

3. Dementsprechend hat der BFH für die Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit bereits entschieden, dass zu den Einnahmen aus dieser Einkunftsart alle Güter zu rechnen sind, die in Geld oder Geldeswert bestehen und die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis für das Zurverfügungstellen seiner individuellen Arbeit zufließen.

a) Die kapitalmäßige Beteiligung eines Arbeitnehmers am Unternehmen seines Arbeitgebers kann zwar eine eigenständige Erwerbsgrundlage darstellen, sodass die damit im Zusammenhang stehenden Einnahmen und Aufwendungen keinen Veranlassungszusammenhang zum Arbeitsverhältnis aufweisen.
b) Die verbilligte Überlassung von Aktien kann aber einen geldwerten Vorteil darstellen und zu Arbeitslohn führen, sofern der Vorteil dem Arbeitnehmer "für" seine Arbeitsleistung gewährt wird, d.h. wenn der Vorteil durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist.

4. Mit dem Urteil, über das hier berichtet wird, hat der BFH erstmals (wenn auch nicht überraschend) entschieden, dass nach den gleichen Maßstäben geldwerte Vorteile, die im Zusammenhang mit einer Tätigkeit i.S.v. § 18 EStG gewährt werden, zu den Einkünften aus selbstständiger Arbeit gehören.

a) Danach gehören Vorteile aus verbilligter Aktienüberlassung oder aufgrund von Aktienoptione...

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