vorläufig nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Auskunftspflicht Dritter: Verpflichtung eines Servicedienstleisters zur Herausgabe von Daten der Nutzer einer Internethandelsplattform, Sammelauskunftsersuchen

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zur Zulässigkeit eines Auskunftsersuchens an Dritte.
  2. Eine Auskunft von nicht am Besteuerungsverfahren beteiligter Personen darf die FinVerw nur verlangen, wenn sie zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und die Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist.
  3. Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere etc., die sich im Herrschaftsbereich des Auskunftspflichtigen befinden, stehen ihm nicht allein deshalb nicht zur Verfügung, weil sich der Auskunftspflichtige zivilrechtlich gegenüber Dritten zu deren Geheimhaltung verpflichtet hat.
  4. Die Grundsätze gelten gleichermaßen für elektronisch gespeicherte, Dritte betreffende Daten, auf die der Auskunftspflichtige berechtigterweise zugreifen kann.
  5. Entsprechende Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO – auch Sammelauskunftsersuchen – darf auch die Steufa-Stelle zur Sachverhaltsermittlung i.R. ihres Aufgabenbereichs stellen.
  6. Im Rahmen des Onlinehandels kann ein hinreichender Anlass für ein Sammelauskunftsersuchen gegeben sein, wenn sich i.R. der Überprüfung von Nutzern von zahlreichen Nutzern anderer Internet-Handelsplattformen herausstellt, dass ein hoher Anteil steuerunehrlicher Nutzer gegeben ist und dass erhebliche Mehrsteuern zu generieren sind.
  7. Hinsichtlich der auf Internetplattformen unter Pseudonym handelnden Personen liegen hinreichende Anhaltspunkte für ein statistisch relevantes und mehr als nur unerhebliches Nichtbefolgen steuerlicher Erklärungspflichten vor.
  8. Eine i.R. der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu beachtende Unzumutbarkeit des Befolgens eines Auskunftsersuchens ist selbst dann nicht anzunehmen, wenn die Herausgabe der verlangten personenbezogenen Daten einen strafbewehrten Verstoß gegen ein ausländisches Datenschutzgesetz (hier Luxemburg) darstellt.
 

Normenkette

AO §§ 103, 107, 119, 121, 126, 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 93; BDSG §§ 4, 43

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 09.12.2016; Aktenzeichen II B 75/15)

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Sammelauskunftsersuchens nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO).

Die Klägerin ist eine GmbH, die seit Ende der 90iger Jahre Domaininhaberin der website www.xy.de ist. Auf dieser Website wurde der Onlinehandel des Internethandelshauses Xy, also der Vertrieb von Produkten in verschiedenen Geschäftsfeldern wie z.B.…(sog. Einzelhandelsgeschäft), zunächst von der Klägerin bis Ende 2003 selbst betrieben. Seit dem 1. Januar 2004 wurde die … zum Dienstanbieter und Betreiber der Webseite www.Xy.de. Ab Mai 2006 wurde diese Funktion von der in Luxemburg ansässigen Muttergesellschaft der Klägerin, der…(im Folgenden: M), übernommen.

Auf dieser Internetseite wurde seit 2002 zusätzlich eine Internethandelsplattform für Drittanbieter unter der Bezeichnung „z” betrieben. Hier bietet das Unternehmen anderen Internetnutzern die Möglichkeit, ihre Artikel ebenfalls als sog. Drittanbieter über die Internetseiten von xy neu oder gebraucht zu verkaufen. Käufer finden die Angebote nur unter den von xy vertriebenen Produkten. Um bei Xy.de/z privat oder gewerblich verkaufen zu können, ist eine Anmeldung erforderlich, bei der u.a. eine gültige E-Mail-Adresse angefragt und ein Zugangspasswort eingerichtet wird. Die Drittanbieter wählen bzw. erhalten im Rahmen der Anmeldung einen Benutzernamen (Pseudonym), der aber im Regelfall keinerlei Rückschlüsse auf die wahre Identität der Drittanbieter zulässt. Neben der freien Wählbarkeit des Benutzernamens ist auch dessen nachträgliche Änderbarkeit gegeben. Bei Vertragsschluss unterrichtet Xy den Verkäufer über die Adressdaten des Käufers zur weiteren Abwicklung der Transaktion und übernimmt die Zahlungsabwicklung. Xy hat für die Käufe von Drittanbietern für deren Kunden zudem ein eigenes Bewertungssystem geschaffen. Dabei können die Kunden eines Drittanbieters Bewertungen über die bei ihm getätigten Käufe abgeben und öffentlich machen. Diese Bewertungen sind in sog. Verkäuferprofilen zusammengefasst. Diese enthalten i.d.R. neben dem Benutzernamen (Pseudonym) des Drittanbieters die Zusammenfassung aller Bewertungen und bei den bei Xy als gewerbliche Verkäufer registrierten Drittanbietern Widerrufsbelehrungen und Impressen. Darüber können Käufer konkrete Informationen (nur) über die gewerblichen Drittanbieter erlangen.

Nachdem sich der Sachverhalt zunächst (bis einschließlich des Revisionsverfahrens im ersten Rechtsgang) so darstellte, dass die Klägerin selbst bis Mai 2006 Betreiberin dieser Internethandelsplattform war, stellte die Klägerin mit Schriftsatz vom 29. Mai 2015 (erstmals) klar, dass sie den Xy.de/z zu keiner Zeit selbst betrieben hatte. Als Betreiber versteht die Klägerin den jeweiligen Vertragspartner der Drittanbieter, der die entsprechenden Geschäfte abwickelt ...

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