rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 27 Abs. 19 UStG

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zu den Voraussetzungen der Aussetzung der Vollziehung.
  2. Es bestehen ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 27 Abs. 19 UStG.
  3. Durch den Erlass des Umsatzsteuerjahresbescheids kommt es nicht zu einer Änderung der bisherigen Umsatzsteuervoranmeldungen i. S. d. § 176 AO.
 

Normenkette

UStG 2005 § 27 Abs. 19; AO § 176 Abs. 2; FGO § 69

 

Streitjahr(e)

2013

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin nach dem Erlass des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. August 2013 V R 37/10, BStBl. II 2014, 128 für das Streitjahr 2013 Umsatzsteuer für die Erbringung von Bauleistungen an die W GmbH (GmbH) im Streitjahr 2013 schuldet, obwohl Antragstellerin und GmbH bei Abrechnung dieser Leistungen übereinstimmend davon ausgegangen waren, dass die GmbH als Leistungsempfängerin die Umsatzsteuer nach § 13 b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 und Abs. 5 Umsatzsteuergesetz (UStG) i. V. m. Abschn. 13 b. 3. Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 8 des Umsatzsteueranwendungserlasses 2013 (UStAE) schulde.

Die Antragstellerin betreibt einen Heizungs- und Lüftungsbau. Im Streitjahr 2013 erbrachte sie u. a. Leistungen gegenüber der GmbH. In den von der Antragstellerin erteilten Abrechnungen wurde keine Umsatzsteuer ausgewiesen; sie enthielten einen Hinweis auf die Steuerschuldnerschaft der GmbH als Leistungsempfängerin. Die Gesellschaft meldete die sich aus den berechneten Nettoentgelten in Höhe von 55.723,86 € Steuer zwar an, ob sie sie auch abführte, lässt sich aus den Akten nicht entnehmen.

Mit Schreiben vom 24. September 2014 beantragte die GmbH bei dem für sie zuständigen Finanzamt unter Berufung auf das Urteil des BFH vom 22. August 2013 V R 37/10, nicht mehr Steuerschuldner für diese Umsätze zu sein, die Umsatzsteuerfestsetzungen u. a. für 2013 zu ändern und die entrichteten Umsatzsteuerbeträge zu erstatten. Nachdem das Finanzamt diesen Sachverhalt dem Antragsgegner am 22. Dezember 2014 mitgeteilt hatte, wies dieser die Antragstellerin am 6. Januar 2015 darauf hin, dass sie nunmehr diesen Umsatz als Steuerschuldnerin zu versteuern habe. Weiterhin habe die Antragstellerin nach Auffassung des Antragsgegners Rechnungen nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG mit gesondertem Ausweis der gesetzlichen Umsatzsteuer zu erstellen. Die Antragstellerin wurde darauf hingewiesen, dass sie die sich aus den berichtigten Rechnungen gegenüber der GmbH entstehenden Ansprüche auf Zahlung der Umsatzsteuer an den Antragsgegner abtreten könne.

Mit Schreiben vom 29. Januar 2015 wies die Antragstellerin darauf hin, dass über das Vermögen der GmbH mit Beschluss des Amtsgerichts O (xx IN xx/14) das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Aus diesem Grunde sei es bereits zweifelhaft, ob der Insolvenzverwalter eine Abtretung überhaupt akzeptieren werde. Bis zu einer Klärung der Frage, ob der Antragsgegner trotz der sich möglicherweise ergebenden rechtlichen Hindernisse eine Abtretung mit schuldbefreiender Wirkung nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG in der Fassung des Gesetzes vom 25. Juli 2014 (BGBl. I S. 1266 = UStG n. F.) akzeptieren werde, werde sie keine berichtigten Rechnungen erteilen. Der Antragsgegner erteilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 3. Februar 2015 zu der Frage einer Abtretung eine ausweichende Antwort unter Hinweis auf laufende Abstimmungen auf Bund- und Länderebene. Der Antragsgegner rechnete aus den in Rechnung gestellten Nettobeträgen die gesetzliche Umsatzsteuer heraus und erließ am 22. April 2015 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2013.

Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin am 27. April 2015 Einspruch, über den noch nicht entschieden worden ist. Einen gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte der Antragsgegner am 7. Mai 2015 ab.

Mit dem bei Gericht am 12. Mai 2015 erhobenen Eilantrag begehrt die Antragstellerin die Aussetzung der Vollziehung unter Hinweis auf verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG n. F., mit dem die Anwendung des § 176 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) ausgeschlossen wird. Zur Begründung verweist sie insbesondere auf den Beschluss des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. Juni 2015 5 V 5026/15. Diese verfassungsrechtlichen Bedenken müssten auch für das Streitjahr durchschlagen. Zwar habe die Antragstellerin bis zur Änderung und Anpassung der Verwaltungsvorschrift des Abschn. 13 b. 3. UStAE an die Rechtsprechung des BFH durch das BMF-Schreiben vom 13. Januar 2014 IV D 3 – S 7279/11/100002 beim Antragsgegner nur Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht; die Umsatzsteuererklärung für 2013 sei erst am 16. September 2014 bei diesem eingegangen. Die Berufung auf den in § 176 Abs. 2 AO geregelten Vertrauensschutz sei aber nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht (Lippross, DStR 2014, 879) möglich.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids 2013 vom 22. April 2015 bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der...

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