Das Familiengericht kann auf Antrag die elterliche Sorge ganz oder zum Teil – auch gegen den Willen der Mutter – gemeinsam übertragen, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht.[1] Dies soll vermutet werden, wenn der andere Elternteil Gründe vorträgt, die einer Übertragung der gemeinsamen Sorge[2] entgegenstehen, und solche Gründe auch sonst nicht ersichtlich sind.[3] Das Gericht entscheidet dann regelmäßig in einem vereinfachten Verfahren nach § 155a Abs. 3 FamFG[4] ohne Anhörung des Jugendamts und ohne persönliche Anhörung der Eltern. Es setzt – in der Regel der Mutter – eine Frist zur Stellungnahme zum Antrag auf gemeinsame Sorge. Diese Frist soll frühestens 6 Wochen nach der Geburt des Kindes enden. Werden dem Gericht durch den Vortrag der Beteiligten oder auf sonstige Weise Gründe bekannt, die der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen könnten, wird im regulären Verfahren – also insbesondere nach Anhörung des Jugendamtes und persönlicher Anhörung der Eltern – über den Antrag auf gemeinsame Sorge entschieden.[5]

Schwerwiegende und nachhaltige Kommunikationsstörungen der Eltern, die nicht nur auf einer grundlosen einseitigen Verweigerungshaltung eines Elternteils beruhen, stehen der Anordnung der gemeinsamen elterlichen Sorge in der Regel entgegen. Die gemeinsame elterliche Sorge ist kein Instrument zur gegenseitigen Kontrolle der Eltern und zur Verhinderung erzieherischer Alleingänge eines Elternteils.[6] Der Informationsanspruch des nicht sorgeberechtigten Elternteils ist in § 1686 BGB geregelt; insoweit steht die Auskunftsverpflichtung des Sorgerechtsinhabers selbstständig neben einer Regelung des Umgangs.[7] Das Gesetz räumt dem Vater schließlich die Möglichkeit ein, auch das alleinige Sorgerecht ganz oder teilweise zu beantragen. Über einen solchen Antrag wird im regulären gerichtlichen Verfahren entschieden.

Leben die Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt.[8]

Das Familiengericht muss das minderjährige Kind anhören. Die persönliche Anhörung des betroffenen Kindes ist in den Fällen des §§ 1626a Abs. 2 Satz 2 BGB, 155a Abs. 3 Satz 1 FamFG (vereinfachtes schriftliches Verfahren zur Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge) nicht entbehrlich.[9]

Dem Kindsvater kann Verfahrenskostenhilfe bewilligt und ein Anwalt beigeordnet werden, wenn im vereinfachten Sorgerechtsverfahren die Mutter Gründe gegen die gemeinsame Sorge vorträgt.[10]

[2] OLG Frankfurt/M., Beschluss v. 20.1.2014, 1 UF 356/13: Die Familiengerichte müssen die Vermutungsregel des § 1626a Abs. 2 Satz 2 BGB behutsam anwenden.
[3] OLG Koblenz, Beschluss v. 1.2.2017, 13 UF 696/15: Die Einrichtung einer gemeinsamen elterlichen Sorge scheidet aus, wenn es den Kindeseltern trotz vorhandenem Mindestmaß an Übereinstimmung in den wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und zu den wesentlichen Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung für das Kind sowie bestehender objektiven Kooperationsfähigkeit fehlt s.a OLG Bremen, Beschluss v. 16.12.2016, 65 F 7360/15 zur Bewertung der ablehnenden Haltung eines Kindes gegenüber einem Elternteil.
[4] OLG München, Beschluss v. 4.11.2015, 12 UF 1302/15: Im vereinfachten Verfahren nach § 155a FamFG kann über die gemeinsame elterliche Sorgen nur in Ausnahmefällen im Wege einer einstweiligen Anordnung entschieden werden.
[8] § 1671 BGB; OLG Dresden, Beschluss v. 19.5.2017, 22 UF 241/17: Es ist eine doppelte Kindeswohlprüfung durchzuführen. Zunächst ist festzustellen, ob die Aufhebung der gemeinsamen Sorge dem Kindeswohl am besten entspricht. Ist das Ergebnis positiv, ist weiterhin zu prüfen, ob die Übertragung auf den jeweiligen antragstellenden Elternteil dem Kindeswohl am besten entspricht. Andere notwendige familiengerichtliche Maßnahmen dürfen dem nicht entgegenstehen; VerfGH Berlin, Beschluss v. 19.3.2013, 158/12: Begründete Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung des Elternrechts durch Sorgerechtsentscheidung ohne hinreichende kindeswohlbezogene Sachaufklärung – Aufenthaltsbestimmungsrecht für schwerbehindertes Kind bei Absicht eines Elternteils zur Umsiedlung nach Spanien; VerfGH Berlin, Beschluss v. 20.11.2013, 122/13: Unbegründete Verfassungsbeschwerde gegen vorläufige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für zwei minderjährige Kinder auf die Mutter bis zur Entscheidung in der Hauptsache.

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