Kommentar

Das Finanzamt hat Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, wenn es neue Tatsachen erfährt, die zu einer höheren Steuer führen ( § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ). Eine Tatsache ist „neu” wenn sie das Finanzamt bei Erlaß des ursprünglichen oder des im Anschluß daran ergangenen geänderten Steuerbescheids noch nicht kannte. Bekannt ist dem Finanzamt der Inhalt der dort geführten Akten , auf die individuelle Erkenntnis des jeweiligen Bearbeiters ist nicht abzustellen. Fraglich ist, ob dies auch für den Inhalt älterer, bereits im Keller abgelegter Akten gilt. Nach der Rechtsprechung ist dies nur eingeschränkt zu bejahen. Die Behörde muß sich den Inhalt alter Akten nur dann als bekannt zurechnen lassen, wenn zur Hinzuziehung der alten Vorgänge nach den Umständen des Falls, insbesondere nach dem Inhalt der zu bearbeitenden Steuererklärung oder der präsenten Akten, eine besondere Veranlassung bestand mit der Folge, daß das Unterlassen der Beiziehung eine Verletzung der Ermittlungspflicht nach sich zöge ( Änderungsvorschriften ).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 11.02.1998, I R 82/97

Anmerkung:

Im Urteilsfall ging es um die Besteuerung von Gewinnen aus Veräußerungen sogenannter einbringungsgeborener Anteile i. S. d. § 28 UmwStG . Der BFH hat zugunsten der Finanzverwaltung entschieden, daß bei Einbringungen gegen einbringungsgeborene Anteile von vornherein keine organisatorische Vorsorge der Behörde zu treffen ist, um derartige Vorgänge langfristig, ggf. über Jahre und Jahrzehnte, lückenlos unter Kontrolle zu halten und den seinerzeitigen Einbringungsvorgang für die beteiligten Stellen gegenwärtig und „bekannt” zu halten . Erfährt das Finanzamt also später von einer Veräußerung einbringungsgeborener Anteile, und hat der Steuerzahler in der entsprechenden Erklärung dazu auch keine Angaben gemacht, besteht zur Hinzuziehung der Kellerakten keine Veranlassung, d. h. wird später bekannt, daß es sich um Veräußerung von einbringungsgeborenen Anteilen handelt, liegt eine neue Tatsache vor, mit der Folge, daß der Steuerbescheid zuungunsten des Steuerzahlers geändert werden kann.

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