Leitsatz

1. Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens i.S.v. § 33 Abs. 1 SGB V sind nur solche technischen Hilfen, die getragen oder mit sich geführt werden können, um sich im jeweiligen Umfeld zu bewegen, zurechtzufinden und die elementaren Grundbedürfnisse des täglichen Lebens zu befriedigen.

2. Ein Treppenlift ist kein Hilfsmittel im Sinne dieser Legaldefinition.

3. Angesichts des insoweit eindeutigen Wortlauts des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 und des abschließenden Charakters der Katalogtatbestände in § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a bis f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ist die Zwangsläufigkeit und damit die medizinische Notwendigkeit von Aufwendungen für den Einbau eines solchen Hilfsmittels nicht formalisiert nachzuweisen.

 

Normenkette

§ 33 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011, § 84 Abs. 3f, § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011, R 33.4 Abs. 1 EStR, § 275, § 33 Abs. 1 SGB V

 

Sachverhalt

Eheleute K wandten 2005 für einen Treppenlifteinbau in ihr Einfamilienhaus 18.664 EUR auf und machten das als außergewöhnliche Belastung geltend. Das dazu dem FA vorgelegte ärztliche Attest vom 5.10.2006 bescheinigte eine Schwerbehinderung, aufgrund derer Treppensteigen unmöglich sei. Dennoch ließen das FA und auch das FG die Aufwendungen unberücksichtigt. Erst Ks Revision zum BFH war erfolgreich (BFH, Urteil vom 5.10.2011, VI R 14/11, BFH/NV 2012, 39). Die medizinische Notwendigkeit einer Maßnahme sei nicht zwingend durch ein zuvor erstelltes amtsärztliches Attest nachzuweisen (seit BFH, Urteil vom 11.11.2010, VI R 17/09, BFH/NV 2011, 503, BFH/PR 2011, 134). Im zweiten Rechtsgang wies das FG die Klage aber erneut ab (FG Münster vom 18.9.2012, 11 K 3982/11 E, Haufe-Index 3477384, EFG 2013, 44). Die Rechtslage habe sich nun mit den neuen Nachweisanforderungen des § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV geändert. K habe die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen für den Einbau des Lifts nicht durch ein vorheriges amtsärztliches Attest nachgewiesen.

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung erneut auf und verwies das Verfahren wieder an das FG zurück.

 

Hinweis

Das Urteil beschäftigt sich mit der neuen Rechtslage (StVereinfG 2011) zum Nachweis der Zwangsläufigkeit medizinischer Hilfsmittel nach § 33 Abs. 4 i.V.m. § 64 Abs. 1 Satz 1 EStDV. Denn das StVer­einfG 2011 korrigierte die anderslautende Rechtsprechung (seit BFH, Urteil vom 11.11.2010, VI R 17/09, BFH/NV 2011, 503, BFH/PR 2011, 134). Dementsprechend war hier die zentrale Streitfrage: Gelten die speziellen Nachweisanforderungen für den Einbau eines Treppenlifts?

1. Grundsätzlich ist die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall seit dem StVereinfG 2011 in den Fällen des § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV formalisiert nachzuweisen. Bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt jetzt § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a bis f EStDV – katalogartig aufgezählt – ein noch vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V). Diese Regelung gilt sogar rückwirkend (§ 84 Abs. 3f EStDV, dazu BFH, Urteil vom 19.4.2012, VI R 74/10, BFH/NV 2012, 1373, BFH/PR 2012, 310). Hier ging es um den Nachweis für medizinische Hilfsmittel, die als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens i.S. v. § 33 Abs. 1 SGB V anzusehen sind (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Bst. e EStDV).

2. Zu den Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens i.S. v. § 33 Abs. 1 SGB V zählt, so schon das Bundessozialgericht, nicht der Treppenlift. Das sind vielmehr nur solche technischen Hilfen, die getragen oder mit sich geführt werden, um sich im jeweiligen Umfeld zu bewegen, zurechtzufinden und die elementaren Grundbedürfnisse des täglichen Lebens zu befriedigen. Der BFH legte deshalb entgegen dem FG § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV angesichts der ausdrücklichen Legaldefinition (§ 33 Abs. 1 SGB V) und ihres Charakters als Ausnahme vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung wortgetreu aus. Daher bleibt es für nicht unter den Katalog fallende Maßnahmen bei den allgemeinen Beweisregeln. Dies führte hier dazu, dass das Verfahren erneut an das FG zurückverwiesen werden musste. Noch immer ist also ggf. mittels Sachverständigengutachten im Nachhinein zu prüfen, ob der Einbau des Lifts medizinisch angezeigt war.

Beachten Sie: Soweit möglich, sollten künftig entsprechende Maßnahmen durch ein vorheriges Attest entsprechend § 64 EStDV abgesichert werden. Dies erspart den Streit darüber, inwieweit dafür die formellen Nachweisanforderungen gelten.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 6.2.2014 – VI R 61/12

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