Leitsatz

1. Die Meldung als Arbeitsuchender bei der Agentur für Arbeit (§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG) setzt im Grundsatz voraus, dass das Kind einen Anspruch auf die von der Agentur nach § 35, § 36 SGB III geschuldete Vermittlungsleistung hat. Hieran fehlt es jedenfalls dann, wenn das Kind in der Zeit bis zum Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes aufgrund seines ausländerrechtlichen Status keine Arbeitsgenehmigung erlangen konnte (§ 284 Abs. 5 SGB III a.F.).

2. Kann ein Kind einen Ausbildungsplatz bereits deshalb nicht antreten, weil dem ausländerrechtliche Vorgaben entgegenstehen, scheidet ein Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG aus.

 

Normenkette

§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG, § 15, § 35, § 36, § 284 Abs. 5 a.F. SGB III, § 5 Nr. 3 und Nr. 5 ArGV, § 69 Abs. 2 und Abs. 3 AuslG 1990

 

Sachverhalt

Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und war seit 1986 im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung. Er bezog u.a. für seinen im Juli 1983 geborenen Sohn Kindergeld. Der Sohn war im Streitzeitraum (August 2003 bis Mai 2004) aufenthaltsrechtlich bis zum 02.03.2004 vorläufig geduldet (§ 69 Abs. 2 AuslG 1990), ab dem 03.03.2004 galt sein Aufenthalt vorläufig als erlaubt (§ 69 Abs. 3 AuslG 1990); über eine Arbeitsgenehmigung verfügte er in dieser Zeit nicht. Im Juli 2003 brach er den Besuch der Abendrealschule ab und wurde ab Juni 2004 bei der Arbeitsvermittlung als Arbeitsuchender geführt. In der Zwischenzeit war er nicht als Arbeit- noch als Ausbildungsuchender registriert. Er war allerdings im Juni 2003 sowie im Februar 2004 bei der Agentur für Arbeit vorstellig geworden, die ihn wegen seines unzureichenden Aufenthaltstitels aber nicht als Bewerber für einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz registrierte.

Nachdem die Familienkasse vom Schulabbruch erfahren hatte, hob sie die Festsetzung des Kindergelds für die Monate August 2003 bis Mai 2004 auf und forderte das für diese Zeit bereits gezahlte Kindergeld zurück.

Das FG wies die Klage ab (FG Bremen, Urteil vom 22.02.2008, 4 K 96/07 (4), Haufe-Index 2003322, EFG 2008, 1212).

 

Entscheidung

Der BFH stimmte dem FG hinsichtlich der Monate Oktober 2003 bis Januar 2004 zu, weil der Sohn sich nicht eigenständig um einen Ausbildungsplatz bemüht hatte und seine Vorsprache bei der Agentur im Juni 2003 einen Kindergeldanspruch wegen Arbeits- oder Ausbildungsplatzsuche allenfalls bis einschließlich September 2003 begründen konnte.

Hinsichtlich der Monate August und September 2003 sowie Februar bis Mai 2004 war die Revision dagegen begründet, das FG-Urteil wurde insoweit aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Aufgrund der im März 2004 erlangten Erlaubnisfiktion (§ 69 Abs. 3 AuslG 1990) hätte eine Arbeitsgenehmigung erteilt werden können und auch für die Monate August und September 2003 sowie Februar 2004 war wegen der Duldungsfiktion eine Arbeitsgenehmigung nicht ausgeschlossen. Im zweiten Rechtsgang ist dazu festzustellen, ob die Ausländerbehörde bei der Ausstellung der Bescheinigungen Auflagen zum Verbot oder zur Beschränkung der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit verfügt hatte, die der Erteilung einer Arbeitsgenehmigung und damit dem Vermittlungsanspruch entgegenstehen.

Soweit der Kläger im Revisionsverfahren hilfsweise erstmals den Erlass der Rückforderung beantragte, war die Revision unzulässig.

 

Hinweis

Der aufenthaltsrechtliche Status hat einkommensteuerrechtliche Folgen: Bei ausländischen Eltern beeinflusst er deren Kindergeldanspruch (§ 62 Abs. 2 EStG), und der Status von Kindern ist maßgebend für die Frage, ob sie Arbeit- oder Ausbildungsplatzsuchende sein können.

1. Kinder zwischen dem 18. und dem 21. Lebensjahr werden berücksichtigt, wenn sie bei der Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchende gemeldet sind. Die Meldung muss alle drei Monate erneuert werden (BFH, Urteil vom 25.09.2008, III R 91/07, BFH/NV 2009, 450, BFH/PR 2009, 179). Eigenbemühungen des Kindes sind weder erforderlich noch ausreichend.

Kinder zwischen dem 18. und dem 27. (seit 2007: dem 25.) Lebensjahr werden berücksichtigt, wenn sie eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen können. Dies setzt voraus, dass sich das Kind ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht. Es braucht sich nicht eigenständig zu bewerben, denn für die ernsthaften Bemühungen genügt es auch, wenn das Kind bei der Ausbildungsvermittlung der Agentur für Arbeit vorstellig wird und dieser gegenüber zumindest alle drei Monate sein Interesse an einer weiteren Vermittlung einer Ausbildungsstelle bekundet.

2. Der in § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG gebrauchte Begriff des "Arbeitsuchenden" bestimmt sich nach den Vorschriften des Sozialrechts. Arbeit- und Ausbildungsplatzsuchende müssen daher grundsätzlich vermittlungsfähig sein. Daran fehlt es, wenn sie aufgrund des ausländerrechtlichen Status keine Beschäftigung in Gestalt eines Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses aufnehmen dürfen.

3. Bis zum Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes zum 01.01.2005 bedurfte ein Auslän...

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