Leitsatz

1. Die Zuordnung der aus Gewinnanteilen an einer Mitunternehmerschaft resultierenden Einkommensteuerschuld zu den insolvenzrechtlichen Forderungskategorien (Insolvenzforderung, Masseverbindlichkeit, insolvenzfreies Vermögen) betrifft die Einkommensteuerfestsetzung; hierüber ist deshalb nicht im Gewinnfeststellungsverfahren zu entscheiden (Anschluss an BFH, Urteil vom 16.7.2015, III R 32/13, BFHE 251, 102, BStBl II 2016, 251).

2. Das Feststellungsverfahren und nachfolgend das Einkommensteuerfestsetzungsverfahren werden nicht analog § 240 ZPO unterbrochen, sofern es sich bei der Einkommensteuer auf den Gewinnanteil nicht um eine Insolvenzforderung handelt.

3. Die Einkommensteuerschulden, die aus der Verwaltung eines zur Masse gehörenden Gesellschaftsanteils entstehen, der entweder nach der Insolvenzeröffnung fortgeführt oder durch den Insolvenzverwalter neu begründet und nicht vom Insolvenzverwalter freigegeben worden ist, stellen Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO) dar.

 

Normenkette

§ 35, § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ­InsO, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, § 74 FGO, § 240 ZPO

 

Sachverhalt

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des S, der als Gesellschafter an einer GbR beteiligt war. Zunächst überwies die GbR dem Kläger auf dessen Veranlassung monatlich den als pfändbar berechneten Betrag. S informierte später den Kläger darüber, dass er nunmehr als Geschäftsführer einer Ltd. seiner Frau mit einem nicht pfändbaren Nettoeinkommen tätig sei. Daraufhin stellte die GbR ab Juni 2008 ihre Zahlungen an den Kläger ein. Die Ltd. sollte sich an der GbR beteiligen und den auf die bisherige Tätigkeit des Klägers entfallenden Gewinnanteil vereinnahmen. Hierzu ist es jedoch nicht gekommen. S setzte indes seine bisherige Tätigkeit für die bzw. in der GbR fort.

Das Feststellungs-FA stellte für die Streitjahre einen Gewinnanteil des S aus seiner Beteiligung an der GbR fest. Das Veranlagungs-FA ging von Masseverbindlichkeiten aus und setzte die sich hieraus ergebende Einkommensteuer gegenüber dem Kläger fest. Einspruch und Klage war ohne Erfolg (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 28.11.2013, 1 K 159/12, Haufe-Index 6980278, EFG 2014, 1407).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen als unbegründet zurück.

 

Hinweis

In diesem Urteil betont der BFH erneut die eigenständige steuerliche Sichtweise, die an das wirtschaftliche Ergebnis anknüpft und auch im Rahmen der Insolvenzordnung Geltung beansprucht (vgl. auch Urteil vom 3.2.2016, X R 25/12, BFH/NV 2016, 828, BFHE 252, 486, BStBl II 2016, 391).

1. Scheidet der Insolvenzschuldner zivilrechtlich aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwingend von Gesetzes wegen aus der Gesellschaft aus, wird sie jedoch von ihm und den bisherigen Gesellschaftern faktisch fortgesetzt, ist steuerrechtlich dennoch von einer Gesellschaftsbeteiligung des Insolvenzschuldners an der (ggf. neuen) GbR auszugehen. Der BFH konnte es dahin stehen lassen, ob die Fortführung der (bisherigen) GbR mit dem Insolvenzschuldner zivilrechtlich überhaupt möglich wäre, da nicht die zivilrechtliche, sondern die steuerrechtliche Beurteilung maßgebend ist. Denn selbst wenn dies zivilrechtlich nicht möglich sein sollte – was im Schrifttum umstritten ist –, müssen für die Frage der Besteuerung die sich aus §§ 40, 41 Abs. 1 AO ergebenden Wertungen in den Blick genommen werden. Diese Vorschriften sind Ausdruck der vom Gesetzgeber bewusst getroffenen und in der AO vor die Klammer gezogenen Grundsatzentscheidung, die Besteuerung insgesamt wertneutral bzw. an wirt­schaftlichen Gesichtspunkten ausgerichtet durch­zu­führen.

2. Daher führt die faktische Fortführung einer GbR durch den Insolvenzschuldner dazu, dass der Gesellschaftsanteil an der GbR zur Insolvenzmasse gemäß § 35 InsO gehört und grundsätzlich von der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters erfasst ist.

3. Eine Einkommensteuerschuld kann eine vorweg aus der Insolvenzmasse zu befriedigende Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sein, wenn sie durch eine Handlung des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Ver­waltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet wird. Ein Unterlassen des Insolvenzverwalters genügt nur, wenn er dadurch eine Amtspflicht zum Tätigwerden verletzt.

Lediglich die Duldung einer Tätigkeit des Insolvenzschuldners durch den Insolvenzverwalter oder dessen bloße Kenntnis macht die Einkommensteuer, die aufgrund dieser Einkünfte entsteht, indes noch nicht zu einer Masseverbindlichkeit. Da der Insolvenzverwalter im Streitfall jedoch aktiv tätig geworden ist, um die pfändungsfreien Beträge von der GbR zu erlangen, konnte der BFH eine Masseschuld bejahen.

4. Es ist unerheblich, ob der Insolvenzverwalter die dem Insolvenzschuldner vom FA zugerechneten Gewinnanteile zur Masse ziehen kann oder nicht. Insofern knüpft der X. Senat an die Rechtsprechung des IV. Senats an (Urtei...

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