Rn. 56

Stand: EL 154 – ET: 11/2021

Die Entscheidung der Familienkasse über die Abzweigung hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu erfolgen. Es handelt sich um einen VA mit Doppelwirkung. Dies betrifft

Bei der Ermessensentscheidung über die Höhe der Abzweigung hat die Familienkasse alle Aufwendungen des Kindergeldberechtigten für den Unterhalt des Kindes, wie zB Schulgeld, zu berücksichtigen, BFH v 15.07.2010, III R 89/09, BStBl II 2013, 695. Nach V 33.1 Abs 3 S 8 DA-KG 2020 hat eine Entscheidung, mit der Kindergeld abgezweigt wird, stets unter dem Vorbehalt des Widerrufs nach § 120 Abs 2 Nr 3 AO zu ergehen. Ein Bescheid über die Ablehnung einer Abzweigung, der keine Bestimmung über das Ende seines Regelungszeitraums enthält, trifft nur eine Regelung bis zur Bekanntgabe der letzten Verwaltungsentscheidung, dh bis zur Bekanntgabe des Ablehnungsbescheides oder einer nachfolgenden Einspruchsentscheidung, sofern die Familienkasse in dieser über die Abzweigung sachlich entschieden hat, BFH v 17.10.2013, III R 23/13, BFH/NV 2014, 404.

Die Grenzen des Ermessens sind insb dann nicht eingehalten, wenn die Kindergeldkasse ihrer Pflicht, ein Ermessen auszuüben, nicht nachkommt. Für eine fehlerfreie Ermessensausübung ist ferner Voraussetzung, dass die Entscheidung der Familienkasse auf der Grundlage des zutreffend und erschöpfend ermittelten Sachverhalts ergeht und dabei alle maßgeblichen Gesichtspunkte tatsächlicher und rechtlicher Art berücksichtigt, BFH v 27.05.2020, III R 58/18, BFH/NV 2020, 1286; vgl zum Fall der Ermessensunterschreitung zu Lasten der Familienkasse FG Mchn v 14.02.2007, 10 K 930/06. Die Entscheidung kann nur nach einer Anhörung des Kindergeldberechtigten erfolgen (§ 91 AO). Entsprechendes gilt für die Änderung oder Aufhebung einer bereits getroffenen Abzweigungsentscheidung.

Für eine sachgerechte Ermessensentscheidung ist es erforderlich, dass die Familienkasse die vom Kindergeldberechtigten erbrachten Unterhaltsleistungen vollständig erfasst und der Höhe nach beziffert. Nur wenn sich die Höhe der vom Kindergeldberechtigten tatsächlich erbrachten Unterhaltsleistungen nicht mehr – auch nicht durch Schätzung – ermitteln lässt, kann es zulässig sein, diese Leistungen pauschal zu bewerten und das Kindergeld zB in hälftiger Höhe abzuzweigen, BFH v 03.07.2014, III R 41/12, BFH/NV 2015, 85; BFH v 09.02.2009, III R 37/07, BStBl II 2009, 928; BFH v 23.02.2006, III R 65/04, BStBl II 2008, 753. Bei der von der Familienkasse zu treffenden Ermessensentscheidung sind die unterhaltsrechtlichen Maßstäbe nach dem BGB und nicht sozialhilferechtliche Maßstäbe nach dem SGB II oder SGB XII anzulegen, BFH v 18.04.2013, V R 48/11, BStBl II 2013, 697.

Die FG haben die DA-FamEStG als ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift, die unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art 3 Abs 1 GG) zur Selbstbindung der Verwaltung führt, bei der gerichtlichen Überprüfung einer von der Familienkasse getroffenen Entscheidung über einen Abzweigungsantrag auf Ermessensfehler zu beachten, BFH v 18.04.2013, V R 48/11, BStBl II 2013, 697, sofern sich die in der Verwaltungsvorschrift getroffenen Regelungen innerhalb der Grenzen halten, die das GG und die Gesetze der Ausübung des Ermessens setzen.

Tritt nach der Ermessensentscheidung der Familienkasse im Verlaufe des Einspruchsverfahrens eine Änderung der Sach- und Rechtslage ein, hat die Familienkasse ihre Entscheidung nicht nur auf Ermessensfehler hin zu überprüfen, sondern ggf eine neue Ermessensentscheidung zu treffen, BFH v 26.08.2010, III R 16/08, BStBl II 2013, 617, entscheidend ist die Sach- und Rechtslage bei Ergehen der Einspruchsentscheidung, Wendl in H/H/R, § 74 EStG Rz 13 (Juni 2020). So ist zB rückwirkend (im Verlaufe des Einspruchsverfahrens) gezahlter Unterhalt bei der (Ermessens-)Entscheidung über den Antrag des Kindes auf Abzweigung zu berücksichtigen, BFH v 26.08.2010, III R 16/08, BStBl II 2013, 617. Erfolgt eine Überprüfung der Ermessensentscheidung der Familienkasse durch das FG, ist auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung abzustellen und nicht auf die bei Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem FG, BFH v 20.02.2012, III B 107/11, BFH/NV 2012, 987; .

 

Rn. 57

Stand: EL 154 – ET: 11/2021

Trägt der Kindergeldberechtigte überhaupt keine Aufwendungen für den Unterhalt des Kindes, entspricht es pflichtgemäßem Ermessen, dass das gesamte Kindergeld entweder dem Kind selbst oder demjenigen zugute kommt, der dem Kind tatsächlich Unterhalt gewährt, nicht aber dem Kindergeldberechtigten, BFH v 14.07.2010, III R 89/09, BStBl II 2013, 695. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 74 Abs 1 S 1 EStG vor, reduziert sich der Ermessensspielraum mit Rücksicht auf die Zweckbestimmung des Kindergelds hinsichtlich der Frage, ob eine Abzwe...

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