Rn. 492e

Stand: EL 80 – ET: 08/2008

Zu einer sinnvollen Wertaufhellungskonzeption muss das Thema in einen umfassenderen Zusammenhang gestellt werden, nämlich in das Bilanzierung insgesamt durchziehende Problem der Ungewissheit bzw Unsicherheit über künftige Entwicklungen, die notwendigerweise einen Schätzungsprozess vom bilanzierenden Kaufmann erfordern (s Rn 21ff). Dieses Schätzungsverhalten kann durch Ereignisse (events) bis zur Aufstellung des Abschlusses erleichtert oder bestätigt werden. Häufig oder meistens muss die Schätzung jedoch ohne solche unterstützende Erkenntnisse auskommen. Im vorhergehenden Bsp des Haarwaschmittels (s Rn 492b) konnte der Kaufmann zunächst vom normalen Gang der Dinge ausgehen, der gerade nicht im Verkauf von schadhaften Produkten liegt. Der in das Bsp hineingelegte Ausnahmefall widerlegt seine bis dahin "richtige" Schätzung. Sie ist bei der Bilanzerstellung am 15.02.01 zu berücksichtigen. Treffen demgegenüber die Informationen über Haarausfälle erst nach Bilanzerstellung, also etwa im März, ein, stellt sich die bei Bilanzerstellung über die Verhältnisse am Stichtag vollzogene Schätzung als unrichtig heraus. Schätzungen sind indes so gut wie immer unrichtig, weil sie durch die späteren tatsächlichen Ereignisse notwendigerweise widerlegt oder höchst selten als "richtig" bestätigt werden. Deshalb ist in diesem Fall die Bilanz ohne Berücksichtigung der nachträglich eingegangenen Information über die Haarausfälle nicht unrichtig. Die "Korrektur" erfolgt im nächsten JA. Nach IAS 8.36 f liegen changes in accounting estimates vor, die von Bilanzierungsfehlern (errors nach IAS 8.41) zu unterscheiden sind.

 

Rn. 492f

Stand: EL 80 – ET: 08/2008

In Ausnahmefällen können Einmalereignisse nach dem Bilanzstichtag und vor der Erstellung wertbegründend wirken.

 

Beispiel (nach Lüdenbach, PiR 2007, 364; ähnlich der BFH im sog Tankerurt, BFH BStBl II 1988, 430):

Ein Maschinenbauunternehmen baut im Kundenauftrag eine Spezialmaschine. Vor Fertigstellung verschlechtert sich die wirtschaftliche Situation des Kunden erheblich. Einen anderen Kunden kann der Hersteller mit der schon weit fortgeschrittenen Arbeit nicht bedienen. Die beiden Vertragspartner treten in Verhandlungen ein, die sich über den Bilanzstichtag hinweg hinziehen. Im Ergebnis mindert der Hersteller den Kaufpreis um einen erheblichen Teilbetrag gegenüber dem ursprünglich vereinbarten. Für den daraus resultierenden Restkaufpreis erhält der Hersteller eine Bankbürgschaft am 10.01. beim Bilanzstichtag 31.12.

Die Bürgschaft ist wertbegründend. Am Bilanzstichtag war die Forderung des Herstellers gegenüber dem Kunden (noch nicht) in diesem Umfang werthaltig. Zu diesem Zeitpunkt konnte nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit die Erteilung der Bürgschaft vom Bilanzierenden angenommen werden. Die Unterschrift unter dieses Papier entspricht dem Lottogewinn im Lehrbuchfall (s Rn 487).

 

Rn. 492g

Stand: EL 80 – ET: 08/2008

Das die Wertaufhellungskonzeption überlagernde Schätzungsproblem geht aus dem folgenden Bsp hervor, das dem Sachverhalt des "BIAO-Rechtsstreits" entnommen ist, den der BFH v 15.09.2004, I R 5/04, BFH/NV 2005, 421 auf der Grundlage des EuGH v 07.01.2003, BStBl II 2004, 144 entschieden hat:

 

Beispiel:

Eine Bank übernimmt Kreditausfallbürgschaften über 3 Mio US$ und eine weitere über 1,5 Mio US$ und erhält dafür eine Risikoprämie (Avalentgelt) von 4 375 US$ bzw 2 175,35 US$ (Provisionssatz 7/8 %). Die verbürgte Forderung ging im Aufhellungszeitraum in vollem Umfang ein. Die bürgende Bank (StPfl) wurde aus ihrer Bürgschaft nicht in Anspruch genommen. Entsprechende Geschäftsbeziehungen gleichen Inhalts sind jahrelang reibungslos, also ohne Kreditausfall, abgewickelt worden.

Die stpfl Bank wollte neben einer unstreitigen Rückstellung für Bonität in offensichtlich geringer Höhe eine weitere Rückstellung für das Ausfallrisiko aufgrund einer Länderbewertung, die nach einem bestimmten Berechnungsmodus ermittelt worden ist, in Höhe von 638 TDM mit steuerlicher Wirkung bilden.

Der BFH hat die Rückstellungsbildung abgelehnt und dabei den Geldeingang innerhalb der Erhellungsfrist als Bestätigung für das nicht vorhandene Risiko gewertet.

Die Entscheidung hätte in gleichem Umfang erfolgen müssen, wenn der Geldeingang erst nach der Bilanzerstellung zu verzeichnen gewesen wäre (aA Hüttemann in FS Priester 2007, 318: die Schuldnerposition hätte sich zwischen Stichtag und Zahlungstag wesentlich verändern können). Der Grund liegt in der Risikostruktur des Geschäftes. Die beiden erhaltenen Provisionen und der diesen zugrunde liegende Vergütungssatz von 7/8 belegen ein sehr geringes Ausfallrisiko. Bürgschaften und Kreditgarantien werden unter Fremden nur eingegangen, wenn der Sicherungsgeber nicht mit einer Inanspruchnahme rechnet. Deshalb akzeptiert der BFH in st Rspr auch nur Rückstellungen für Bürgschaftsprovisionen, wenn die Inanspruchnahme konkret aufgrund Illiquidität des Primärschuldners droht. Das zu vernachlässigende und deshalb nicht bilanzierbare Risiko ...

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