Rn. 727

Stand: EL 85 – ET: 11/2009

In der jüngeren Diskussion hat das Thema negativer Geschäftswert eine besondere Ausbreitung in der Literatur gefunden. Hintergrund ist eine gewisse Ratlosigkeit über die bilanzmäßige Abbildung eines nicht ganz ungewöhnlichen "Geschäftsvorfalls": Ein Unternehmen wird verkauft, und der Kaufpreis erreicht nicht einmal das ausgewiesene, ordnungsgemäß bilanzierte EK. Ein solcher Sachverhalt kann so weit gehen, dass für das betreffende Unternehmen – oder auch eine KapGes – eine Art negativer Kaufpreis entrichtet wird, das Unternehmen also übergeht und der Verkäufer dem Käufer noch eine Art "Mitgift" gewährt (Mathiak, StuW 1982, 83). Hintergrund für diese "Kaufpreisfindung" ist die Nichtbilanzierbarkeit künftig zu erwartender gesamtunternehmerischer Verluste, die sich im Rahmen einer Unternehmensbewertung niederschlagen. Bei ökonomischer Betrachtung liegt es nahe, dieses Phänomen mit "negativem Geschäftswert" zu umschreiben.

 

Rn. 728

Stand: EL 85 – ET: 11/2009

Die herrschende Literaturmeinung bestreitet jedoch die Möglichkeit einer entsprechenden Bilanzierung schon mit dem rein formalen Argument, dass ein Bilanzposten (auf der Passivseite) nach dem HGB-Gliederungsschema nicht vorgesehen sei. Für den Einzelabschluss trifft dieses Argument sicherlich zu, doch ein Blick auf die Konzernrechnungslegungsvorschriften zeigt ein anderes Bild (Hoffmann, DStR 1994, 1762, 1766). In § 301 Abs 3 HGB werden zwar nur konsolidierungstechnische Vorgänge geregelt, die aber wirtschaftlich genau denselben Hintergrund haben wie den/der Erwerb eines Unternehmens zu einem Kaufpreis, der niedriger ist als das EK.

 

Rn. 729

Stand: EL 76 – ET: 11/2007

Der BFH versucht im grundlegenden Urt v 21.04.1994 (BFH BStBl II 1994, 745) demgegenüber unter Bezugnahme auf das AK-Prinzip die Lösung durch Verbuchung des negativen Betrages auf der Habenseite der (aktiven) Vermögensgegenstände (sog Abstockung). Diese Lösung soll aber dann ihr Ende haben, wenn die Aktivwerte – ohne liquide Mittel – insgesamt nicht ausreichen, also alle auf Null gesellt werden und dann immer noch Abstockungsbedarf herrscht. Dem BFH zufolge soll nämlich das Abstocken bei liquiden Mitteln sein Ende haben. Wohin aber dann mit dem restlichen Habensaldo? Die Antwort des BFH klingt salomonisch: Es soll ein Ausgleichsposten passiviert werden, dessen weiteres Geschick dann allerdings noch nicht definiert ist. Hierin kann man eine Art Verlustrückstellung sehen (so Hartung in FS Beisse, 235) oder tatsächlich einen negativen Firmenwert (hier allerdings als Restposten nach der Abstockung verstanden) oder aber eben eine undefinierte Größe bilanzrechtlicher Ratlosigkeit. Jedenfalls ist dieser Passivposten irgendwann einmal gewinnerhöhend aufzulösen, und sei es nur als Verrechnungsposten für die vorher oder gleichzeitig realisierten Verluste, die sich in dem "zu niedrigen" Kaufpreis niedergeschlagen haben. Möglicherweise hat der BFH den Begriff "negativen Geschäftswert" deswegen vermieden, um nicht eine Assoziation zur 15-jährigen (negativen) Regelabschreibung in die Welt zu setzen.

 

Rn. 730

Stand: EL 76 – ET: 11/2007

Mit dem Phänomen eines negativen Unternehmenskaufpreises hatte sich der BFH auch im Urt v 26.04.2006 (BFH I R 49,50/04, DStR 2006, 1313) mit Anm Hoffmann zu befassen. Der Fall betraf die gesamte Beteiligung einer GmbH. Das WG "Beteiligung" repräsentiert das "dahinter stehende" Unternehmen u damit auch dessen positiven oder negativen (Geschäfts-)Wert. Der Erwerber erhielt vom Verkäufer für die Übernahme des GmbH-Anteils eine "Zugabe". Zutreffenderweise untersuchte der BFH in der Urteilsbegründung erst den möglichen Grund für diese Zuzahlung ("negativer Kaufpreis"). Eine mögliche Begründung sieht der BFH in einem eigenständigen Leistungselement, das vom eigentlichen Beteiligungserwerb zu trennen ist (vgl Einzelheiten zu diesem Problembereich bei Lüdenbach/Völkner, BB 2006, 1435). Ein mögliches solches Leistungselement sah der BFH in der vom Erwerber des GmbH-Anteils übernommenen selbstschuldnerischen Bürgschaft wegen Bankverbindlichkeiten der erworbenen GmbH. Als weiteren Grund für die "Zugabe" des Veräußerers könnte man sich künftige Aufwendungen der erworbenen GmbH zu Umweltverpflichtungen oder Restrukturierungskosten wegen Personalüberhangs vorstellen. Der Sachverhalt des BFH-Urt gibt dazu allerdings nichts her. Eher lässt sich der negative Kaufpreis durch den Tatbestand der Überschuldung der verkauften GmbH erklären, der dann in bilanzieller Betrachtung analog zur Equity-Bilanzierung von Beteiligungen zu verstehen ist.

Der BFH konnte den Fall abschließend nicht entscheiden, gibt allerdings ausführliche Hinweise an das FG, wenn dieses ein eigenständiges Leistungselement hinter dem negativen Kaufpreis nicht feststellen sollte.

Der BFH lehnt gestützt auf das AK-Prinzip die erfolgswirksame Vereinnahmung des Betrages beim erwerbenden Unternehmen (in dessen Bilanz) ab. Der Anschaffungsvorgang sei erfolgsneutral zu halten, es gäbe keinen "Anschaffungsgewinn". ...

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