Rn. 269

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Eine Ausnahme von der Entstrickungsregelung in § 4 Abs 1 S 3 EStG sieht S 5 in Fällen der Sitzverlegung einer europäischen Gesellschaft (SE) oder einer europäischen Genossenschaft (SCE) vor. Eine solche (identitätswahrende) Sitzverlegung darf wegen Art 10d Abs 1 Fusions-RL nicht durch Besteuerungsfolgen gehemmt werden. Deshalb kann die Sicherung des deutschen Besteuerungsanspruchs auf die stillen Reserven in den Anteilen an der betreffenden Gesellschaft nicht (zeitlich) an die Sitzverlegung (vergleichbar dem Regelungsgehalt von § 4 Abs 1 S 3 EStG (s Rn 250) anknüpfen.

Stattdessen behilft sich der Gesetzgeber mit der "Technik" des sog Treaty override in § 15 Abs 1a EStG: "Ungeachtet einer Bestimmung eines DBA" besteuert Deutschland einen späteren (nach Sitzverlegung) entstehenden Veräußerungsgewinn in der Form, die ohne Sitzverlegung anzuwenden gewesen wäre. Die betreffenden Anteile bleiben also – uU viele Jahre lang – steuerverstrickt (aus Sicht der deutschen Besteuerung).

Die gleiche Rechtsfolge wie bei der Veräußerung der Anteile tritt ein bei (späterer, nach Sitzverlegung)

  • verdeckter Einlage der Anteile in eine KapGes
  • Auflösung
  • Kapitalherabsetzung mit Zurückzahlung
  • Ausschüttung oder Rückzahlung aus dem Einlagekonto iSd § 27 KStG.

Die offene Einlage dieser Anteile in eine KapGes (sog Anteilstausch) wird durch § 15 Abs 1a EStG nicht eigens erwähnt, weil dieser Akt gemeinhin als Veräußerung gilt.

 

Rn. 270

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Im (rechnerischen) Ergebnis beschränkt sich die Steuerverhaftung nicht auf die im Zeitpunkt der Sitzverlegung vorhandenen stillen Reserven. Der deutschen Besteuerung bleiben vielmehr auch die danach anwachsenden oder schrumpfenden stillen Reserven unterworfen. Das führt zu Konfliktpotential mit dem ausländischen Fiskus, wenn dieser die umfassende Besteuerungshoheit für die Zeit seit der Sitzverlegung beansprucht. Eine mögliche Doppelbesteuerung lässt sich dann nur durch eine Verständigungsvereinbarung der beiden Fisken vermeiden. Auch die Europarechtskonformität dieser vom deutschen Fiskus nach § 15 Abs 1a EStG beanspruchten Besteuerungshoheit bleibt zu klären (Werra/Teiche, DB 2006, 1457).

Vorsorglich sollten die stillen Reserven in den Anteilen zum Zeitpunkt der Sitzverlegung ermittelt werden (Beweisvorsorge). In einem späteren Vermittlungsverfahren wird vermutlich der Steuerzugriff des jeweiligen Fiskus nach diesem Termin zugeordnet werden.

 

Rn. 271

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Allerdings ist der Anwendungsbereich dieser Vorschrift nicht sehr weit. Regelmäßig bleibt nach den DBA-Regelungen in diesen Fällen das deutsche Besteuerungsrecht für Gewinne aus Anteilsveräußerungen auch nach der Sitzverlegung erhalten (Dötsch/Pung, DB 2006, 2650 erwähnen als Ausnahme das DBA-Tschechien mit Art 23 Abs 1 Buchst b iVm Art 13 Abs 3).

 

Rn. 272

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Die Besteuerungsfolgen des § 4 Abs 1 S 4 EStG iVm § 15 Abs 1a EStG beziehen sich auf Anteile in einem BV, auch landwirtschaftlicher (§ 13 Abs 7 EStG) oder freiberuflicher (§ 18 Abs 4 S 2 EStG) Provenienz. Für Anteile im PV gilt eine Parallelregelung in § 17 Abs 5 S 2, 3 EStG.

 

Rn. 273

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Nicht erfasst werden mangels Ausschluss/Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts WG-Überlassungen an inländische Betriebsstätten. Ebenfalls durch § 4 Abs 1 S 3 EStG nicht erfasst werden Überlassungen an selbstständige ausländische Tochtergesellschaften.

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