Rn. 2231

Stand: EL 168 – ET: 10/2023

Sie ist geboten,

  • wenn keine Steuererklärungen abgegeben werden,
  • wenn keine Unterlagen und Belege über die Besteuerungsgrundlagen, insbesondere Buchungsunterlagen und Aufzeichnungen, die nach den Steuergesetzen zu führen sind, vorhanden sind oder wenn sie nicht vorgelegt werden (BFH BStBl II 1985, 352; 2001, 484),
  • wenn die Buchführung so unvollständig ist oder wenn sie so schwere Mängel aufweist, dass sie insgesamt kein Vertrauen verdient.

Die Vollschätzung ist die umfassende Schätzung aller Teile der Bemessungsgrundlage einer bestimmten Steuer.

Die Steuer selbst darf nicht geschätzt werden. Bei der ESt bzw KSt wird der Gewinn und bei der Umsatzsteuer der Umsatz geschätzt. Im Fall der Schätzung der Einkünfte aus KapVerm ist eine Schätzung der darauf entfallenden KapSt nicht möglich (BFH BFH/NV 2000, 1080; BFH/NV 2007, 26); zur Schätzung der Zinseinnahmen s FG BdW EFG 2011, 804.

 

Rn. 2232

Stand: EL 168 – ET: 10/2023

Bevor eine Vollschätzung durchgeführt wird, ist zunächst zu prüfen, ob nicht eine Teil- oder Ergänzungsschätzung möglich ist (BFH BFH/NV 1992, 439). Die Vollschätzung kommt nur in Betracht, wenn keine Möglichkeit besteht, die vorhandenen Buchführungsunterlagen durch eine punktuelle Schätzung zu ergänzen (BFH BStBl II 1999, 481; 2001, 484).

Auch bei einer Vollschätzung sind zunächst die einzelnen Grundlagen zu schätzen (insbesondere Umsätze, Einnahmen, Ausgaben, Wareneingang, Wareneinsatz). Es müssen auch hier die verwertbaren Teile der Buchführung herangezogen werden.

Der StPfl, der seiner Buchführungspflicht nicht nachgekommen ist, kann grds gegenüber einer Richtsatzschätzung keine individuellen gewinnmindernden Besonderheiten seines Betriebs geltend machen (BFH BStBl II 2001, 484; BFH/NV 2004, 753).

Innerhalb der Vollschätzung ist zwischen der Rohgewinnschätzung und der Reingewinnschätzung zu unterscheiden.

 

Rn. 2233

Stand: EL 168 – ET: 10/2023

Die Schätzung des Rohgewinns setzt die (schätzungsweise) Ermittlung des wirtschaftlichen Umsatzes oder des Wareneinsatzes, in jedem Fall den Rohgewinnaufschlag voraus. Rohgewinn ist der Betrag, um den der Umsatz alle Waren- und Materialbeschaffungskosten einschließlich der Nebenkosten übersteigt. Ist der Rohgewinn geschätzt, besagt dies nichts über den sonstigen Aufwand, er ist gesondert zu ermitteln, ggf durch Schätzung. Liegen die für die Rohgewinnschätzung geeigneten Unterlagen nicht vor und ist eine ordnungsgemäße Buchung der Aufwendungen nicht erfolgt, so ist eine Reingewinnschätzung nicht zu beanstanden (BFH BFH/NV 1991, 646).

Der Reingewinn ist der der Veranlagung zugrunde zu legende steuerliche Gewinn (s zu den Begriffen Rohgewinn, Halbreingewinn und Reingewinn die Richtsatzsammlung des BMF – zB Richtsatzsammlung bis 2009 BMF vom 06.10.2010, IV A 4 – S 1544/09/10001–02 bzw Richtsatzsammlung 2021 BMF vom 28.11.2022, BStBl I 2022, 1609).

Im Klageverfahren obliegt die Schätzung dem Gericht. Die richterliche Entscheidungsfindung muss weder regelmäßig noch in bestimmten Einzelfällen durch ein Sachverständigengutachten vorbereitet werden (BFH BFH/NV 2007, 1167).

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