Rn. 50

Stand: EL 152 – ET: 08/2021

IRd Reformvorschläge zur Unternehmenssteuerreform wurden auch die Konsequenzen für den Steuertarif erörtert. Die vorhandenen Entwürfe des Sachverständigenrates und der Stiftung Marktwirtschaft kommen zu folgenden Schlussfolgerungen für den Tarif (vgl Sachverständigenrat (Hrsg), Reform der Einkommens- und Unternehmensbesteuerung durch die Duale ESt, Wiesbaden 2006; Stiftung Marktwirtschaft (Hrsg), Kommission "Steuergesetzbuch" Steuerpolitisches Programm, Berlin 2006):

  • Das Konzept des Sachverständigenrates geht von einer dualen ESt aus und lässt damit den synthetischen ESt-Begriff hinter sich. Insofern hätte dieses Modell zur Folge, dass grundsätzlich zwei Tarife bestehen. Neben dem bisherigen Tarif für das Erwerbseinkommen gäbe es einen Proportionalsteuersatz von 25 % für die Kapitaleinkommen. Um insb den verfassungsrechtlichen Anforderungen des objektiven und subjektiven Nettoprinzips gerecht zu werden, sieht der Sachverständigenrat eine Veranlagungsoption vor, die dazu führt, dass eine zusätzliche variable Proportionalzone mit 25 % entsprechend der Höhe des zu versteuernden Kapitaleinkommens in den vorhandenen Tarif für das Erwerbseinkommen eingebaut wird (Sachverständigenrat (Hrsg), Reform der Einkommens- und Unternehmensbesteuerung durch die Duale ESt, Wiesbaden 2006, 29f). Zu beachten ist in diesem Zusammenhang die Einführung der AbgSt durch die Unternehmensteuerreform 2008. Mit ihr wurde die Schedule der AbgSt mit 25 % der Einkünfte aus KapVerm neben dem allg ESt-Tarif eingeführt (s hierzu Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl 2015, § 7 Rz 91). Ausführlich s Erläut zu § 32d (Weiss).
  • Die Kommission der Stiftung Marktwirtschaft ist für die Beibehaltung einer ESt mit progressivem Tarif. Sie schlägt aber nicht einen bestimmten Tarif oder Tarifverlauf vor. Wichtig sei, dass die Bemessungsgrundlage die steuerliche Leistungsfähigkeit der estpfl natürlichen Person möglichst exakt abbildet (Stiftung Marktwirtschaft (Hrsg.), Kommission "Steuergesetzbuch" Steuerpolitisches Programm, Berlin 2006, 8 und 47).

Seit längerer Zeit wird daneben eine Abkehr von der Steuerprogression vorgeschlagen. Es wird einerseits eine Einheitssteuer (flat tax) propagiert, die bei ca 25 % angesetzt werden soll (vgl Kirchhof, ESt-Gesetzbuch, 2003; Kirchhof, Der Weg zu einem neuen Steuerrecht – klar, verständlich, gerecht, 2004). Ausgehend von der FDP beabsichtigte auch ursprünglich die Regierungskoalition, den ESt-Tarif zu einem Stufentarif umzubauen (s Regierungserklärung von Angela Merkel v 10.11.2009; Programm der FDP zur Bundestagswahl 2009: Die Mitte stärken. Deutschlandprogramm 2009, beschlossen auf dem Bundesparteitag vom 15.–17.05.2009) Der Stufentarif der FDP mit Grundfreibetrag sieht drei Stufen von 10, 25 und 35 % vor (zur Kritik s Lang, DB 2010, Beilage Standpunkte zu Heft 5, 9).

 

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Ein weiterer Reformansatz betrifft die Bekämpfung der sog kalten Progression. Die Bundesregierung hatte am 07.12.2011 den Gesetzentwurf zum Abbau der kalten Progression beschlossen (BT-Drucks 17/8683; BR-Drucks 847/11; zu den Wirkungen der kalten Progression s zB Kruhl, StBW 2011, 844). Im System des progressiv ausgestalteten ESt-Tarifs profitiert der Staat von systembedingten Steuermehreinnahmen, die über den Effekt der kalten Progression entstehen. Durch das ursprünglich geplante Gesetz sollte dem Effekt entgegengewirkt werden, dass der Staat zulasten der StPfl inflationsbedingte Mehreinnahmen erhält. Ziel – so der Gesetzentwurf (BT-Drucks 17/8683, 1) – war es, zu verhindern, dass Lohnerhöhungen, die lediglich die Inflation ausgleichen, zu einem höheren Durchschnittssteuersatz führen. Dieser steuerlichen Mehrbelastung liege keine höhere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der StPfl zugrunde. Das Gesetz sollte sicherstellen, dass StPfl in den Jahren 2013 und 2014 von Wirkungen der kalten Progression entlastet werden. Er sollte 2013 und 2014 in zwei Schritten umgesetzt werden und umfasste folgende Eckpunkte:

  • Der Grundfreibetrag sollte bis 2014 um insgesamt 350 EUR bzw 4,4 % auf 8 354 EUR angehoben werden: zum 01.01.2013 auf 8 130 EUR und zum 01.01.2014 auf 8 354 EUR.
  • Der Tarifverlauf sollte bis 2014 ebenfalls um insgesamt 4,4 % mit Ausnahme des Eingangseinkommens für die zweite Proportionalzone ("Reichensteuer") angepasst werden. Denn jedes Einkommen sollte genau um den Betrag entlastet werden, um den es durch die kalte Progression belastet werde.
  • Die Bundesregierung sollte künftig alle zwei Jahre überprüfen, wie die kalte Progression wirkt und ob nachgesteuert werden muss. Grundfreibetrag und Tarifverlauf sollen daraufhin entsprechend angepasst werden (s ersten Steuerprogressionsbericht der BReg für die Jahre 2013 bis 2016, www.bundesfinanzministerium.de).

Die inflationsbedingten Mehreinnahmen, auf die mit dem Reformgesetz verzichtet werden sollten, betragen nach den Annahmen der Bundesregierung jährlich ca 6 Mrd EUR. Das jedoch in Kraft getretene Gesetz zum Abbau der kalten Progres...

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