Rn. 15

Stand: EL 152 – ET: 08/2021

Die Progressionszone ist in zwei Teilzonen aufgeteilt (§ 32a Abs 1 Nr 2 u 3 EStG).

  • Die erste Progressionsteilzone (§ 32a Abs 1 Nr 2 EStG) zeichnet sich aus durch einen steilen Anstieg des Grenzsteuersatzes von 14 % (Eingangssteuersatz) auf 23,9 % im Tarif 2014. Diese Zone endet schon bei einem zvE von 13 469 EUR.
  • In der zweiten Progressionsteilzone (§ 32a Abs 1 Nr 3 EStG) steigt die Grenzsteuerbelastung sodann flacher weiter auf 42 % (Spitzensatz im Tarif 2014 und 2015), die bei einem zvE von 52 881 EUR (Tarif 2014 und 2015) erreicht wird (s Rn 6 Graphik).

Dieser Tarifverlauf zeigt, dass bereits StPfl mit mittleren Einkommen einer hohen Grenzbelastung unterfallen. Deshalb wird seit langem vorgeschlagen, diesen sog Mittelstandsbauch abzubauen (s zB Kruhl, AStW 2017, 960).

Der Tarif ist in der Progressionszone linear-progressiv ansteigend, dh, der Grenzsteuersatz steigt geradlinig an. Im Steuertarif 2014 steigt der Grenzsteuersatz von 14 % (Eingangssteuersatz) auf 42 % (Spitzensteuersatz).

Die Entwicklung der Progressionszone in den letzten Jahrzehnten ist gekennzeichnet durch eine immer weiter fortschreitende Schrumpfung dieser Zone. Einerseits beginnt diese Zone wegen des steigenden Grundfreibetrages bei immer größeren Beträgen. Andererseits wird das Ende der Zone bei immer niedrigeren Beträgen angesetzt. So begann die Progressionszone im Tarif 1996 bei 12 096 DM (6 048 EUR), während sie im Tarif 2014 erst bei 8 354 EUR anfängt. Der Spitzensteuersatz dagegen wurde im Tarif 1996 bei 120 042 DM (60 021 EUR) erreicht, während er im Tarif 2014 schon auf Einkommen ab 52 881 EUR anzuwenden ist. Nimmt man die sog kalte Progression, dh die progressionserhöhende Wirkung durch die mehr oder weniger jährliche Erhöhung der Gehälter, bei dieser Sichtweise mit ins Bild, so ist zu erkennen, dass in immer mehr Steuerfällen der Spitzensteuersatz erreicht wird. Weiterhin führt die Tarifsenkung der folgenden Jahre durch die "kalte Progression" nicht unbedingt zu der vom Gesetzgeber indizierten Konjunkturimpulswirkung (BT-Drucks 14/2683, 92).

Die fortschreitende Schrumpfung der Progressionszone hat jedoch das Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland (Konjunkturpaket II) v 02.03.2009 (BGBl I 2009, 416) marginal gestoppt. So endete die Progressionszone, die seit 1989 um ca 14 300 EUR herabgesetzt wurde, 2008 bei 51 151 EUR. Mit der nunmehr vorgenommenen Änderung beginnt die obere Proportionalzone im Jahr 2010 bei 52 881 EUR. Diese Erhöhung ist aber mit 729 EUR nur sehr gering und wurde in den folgenden fünf Jahren überhaupt nicht verändert. Erst ab VZ 2016 wird nunmehr die obere Proportionalzone angehoben. Sie beginnt ab 57 052 EUR (VZ 2020), ab 57 919 EUR (VZ 2021) und ab 58 598 EUR (VZ 2022). Der Steuerprogressionsbericht für die Jahre 2013–2016, der die Wirkung der kalten Progression im Verlauf des ESt-Tarifs für die Jahre 2013 bis 2016 untersucht (s www.bundesfinanzministerium.de), weist überdies aus, dass die jährlichen Auswirkungen der kalten Progression im Untersuchungszeitraum nur gering sind. Sie lag 2013 durchschnittlich bei 16 EUR.

Die "kalte Progression" führte zu einer Anpassung durch das Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags v 16.07.2015 (BGBl I 2015, 1202) ab VZ 2016 (1,48 %). Zuletzt ist im vierten Steuerprogressionsbericht v 26.10.2020 (BT-Drucks 19/22900) festgestellt worden, dass die Erhöhung der Tarifeckwerte des Einkommensteuertarifs für die VZ 2021 um 1,52 % und für VZ 2022 um weitere 1,5 % durch das 2. FamEntlastG v 01.12.2020, (BGBl I 2020, 2616) den Effekt der kalten Progression ausgleicht.

Nicht zuletzt wird daher dieser Vorwurf der heimlichen Steuererhöhung (Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl 2015, § 8 Rz 8.807; s auch Stern, DStZ 2005, 517f) auch als Argument angeführt, die Steuerprogression völlig durch eine proportionale Besteuerung zu ersetzen (s Elicker, StuW 2000, 3ff). Hey listet darüber hinaus die weiteren Argumente auf, die für eine Abschaffung der Steuerprogression und für die Schaffung eines proportional ausgerichteten Tarifs sprechen (in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl 2015, § 8 Rz 801ff). Dem stehen jedoch Meinungen gegenüber, die aus grundsätzlichen Überlegungen heraus für eine Beibehaltung einer Progressionszone im wesentlich geringeren Umfang sind. Dabei soll der progressive Tarif dem anzuerkennenden Wunsch der StPfl nach Befriedigung der Grundbedürfnisse jenseits der Sicherung des Existenzminimums Rechnung tragen (Becker, FS Franz Klein, 387ff). Unabhängig von der Diskussion über den progressiven Tarif ist aber eine progressive Besteuerung wegen der mit höherem Einkommen steigenden Leistungsfähigkeit des StPfl verfassungsrechtlich nicht bedenklich (BVerfG BFH/NV 2006 Beilage 3, 368; BVerfG v 05.08.2002, 2 BvR 1920/00, StEd 2002, 578; BFH BFH/NV 2001, 34 mwN).

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