Rn. 114

Stand: EL 156 – ET: 02/2022

Nach ständiger Rspr kann ein Feststellungsbescheid eine Vielzahl selbstständiger und damit auch selbstständig anfechtbarer Feststellungen enthalten, die eigenständig in Bestandskraft erwachsen und deshalb für die in dem nämlichen Bescheid getroffenen und rechtlich nachgelagerten Feststellungen Bindungswirkung entfalten können (s nachfolgende Spiegelstriche).

Keine selbstständige Feststellung ist hingegen der sich aus den einzelnen Feststellungen ergebende Gesamthandsgewinn, insoweit handelt es sich lediglich um eine Rechengröße, die nicht selbstständig anfechtbar ist: BFH v 30.11.2017, BFH/NV 2018, 428 Rz 22 mwN. Besteht Streit über die Höhe des in einem gesonderten und einheitlichen Feststellungbescheid festgestellten Gesamthandsgewinns, ist nur die PersGes selbst klagebefugt, eine Klagebefugnis auch des einzigen Gesellschafters ergibt sich nicht daraus, dass ihm der streitige Gewinn alleine zugerechnet wird: BFH v 23.01.2020, BFH/NV 2020, 695.

Vor einem verfahrensrechtlichen Vorgehen gegen einen Feststellungsbescheid einer PersGes sollte also sehr sorgfältig geprüft werden, gegen welche Feststellung genau vorgegangen werden soll.

Das Betriebs-FA der PersGes (bei Doppelstockgesellschaften der UG, s nachfolgend vorletzter Spiegelstrich) trifft diese selbstständigen Feststellungen im einheitlichen und gesonderten Feststellungsbescheid und entscheidet mit bindender Wirkung für die Veranlagungs-FA der Beteiligten,

  • ob Einkünfte vorliegen, an denen mehrere Personen beteiligt sind, ob also überhaupt eine Mitunternehmerschaft vorliegt (BFH v 30.09.2003, BFH/NV 2004, 457; BFH v 06.12.2000, BStBl II 2003, 194), ob nicht nachträgliche Sonder-BA nur einem Gesellschafter zuzurechnen sind (BFH v 22.01.2003, BFH/NV 2003, 900), ob zB nicht ein eigenes steuerrechtsfähiges Subjekt entstanden ist (ein nichtrechtsfähiger Verein zB),
  • über den Feststellungszeitraum, insb bei Gesellschafterwechsel: BFH v 14.03.1996, BStBl II 1996, 469; BFH v 29.04.1993, BStBl II 1996, 666 (bei abweichendem Wj s Fichtelmann, DStR 1972, 403; wegen Erfordernis des Rumpf-Wj auf den Zeitpunkt des Austritts eines Gesellschafters s BFH BStBl II 1970, 838; 1977, 241 sowie s Rn 115),
  • über die Höhe des Gesamthandsgewinns oder -verlusts sowie dessen Verteilung auf die Mitunternehmer und ob die Einkünfte stpfl sind oder zB wegen § 5a EStG bzw DBA – s BFH BFH/NV 1990, 570; BStBl II 1988, 663 – steuerfrei sind: § 180 Abs 5 AO,
  • über die Personen, denen die Einkünfte zuzurechnen sind,
  • über die Verteilung der Einkünfte auf die Beteiligten (einschließlich anrechenbarer KSt und KapSt),
  • über die Einkünftequalifikation (zB bei Zebragesellschaften, BFH v 11.04.2005, GrS 2/02, BStBl II 2005, 679; auch s Rn 164ff),
  • ob Tierhaltung gemäß § 15 Abs 4 EStG vorliegt,
  • ob ein laufender Gewinn oder ein Veräußerungsgewinn vorliegt: BFH v 03.09.2020, BFH/NV 2021, 438 Rz 34; BFH v 17.12.2014, BStBl II 2015, 536 Rz 13; BFH v 29.04.1993, BStBl II 1993, 666),
  • über Sonder-BE/-BA einzelner Gesellschafter, wobei Sonder-BA nur im für die Gesellschaft durchzuführenden Gewinnfeststellungsverfahrens im Rahmen der selbstständig anfechtbaren Feststellung des Sondergewinns eines Mitunternehmers Berücksichtigung finden können: BFH v 18.11.2020, BFH/NV 2021, 625; auch so BFH v 30.11.2017, BFH/NV 2018, 428; BFH v 23.01.2001, BStBl II 2001, 621; BFH v 03.07.1997, BStBl II 1997, 690; BFH v 11.09.1991, BStBl II 1992, 4 mwN; BFH VIII, BFH/NV 1992, 515; auch FG Thüringen v 01.04.1998, EFG 1998, 1232 rkr; weiter s BFH BFH/NV 1990, 369; BFH v 14.12.1989, BStBl II 1990, 401.

     

    Beispiel:

    Der Teilhaber einer OHG unterhält in Ausübung seiner Geschäftsführung für die OHG ein eigenes Büro und beschäftigt darin eine Sekretärin. Er hält sich, weil er viel unterwegs ist, einen eigenen Kraftwagen. Von der Firma erhält er nur eine gleichbleibende Vergütung von monatlich 6 000 EUR für seine Geschäftsführertätigkeit.

    Die Aufwendungen für sein Büro, für die Sekretärin, die Kosten der Kraftwagenhaltung sind bei ihm Sonder-BA. Er kann sie von seinem OHG-Gewinnanteil absetzen. Bei der einheitlichen Gewinnfeststellung sind diese Aufwendungen als gewinnmindernd bei der OHG zu berücksichtigen.

    Der BFH beruft sich auf § 180 Abs 1 Nr 2 Buchst a AO, der nach seiner Auffassung auch nicht im Wege verfassungskonformer Auslegung unter Beachtung des Übermaßverbotes in seinem Anwendungsbereich eingeschränkt werden könne. Nach Ansicht des BFH ist der Begriff der "höchst persönlichen" Sonder-BA zu unbestimmt, als dass er zur generellen Abgrenzung tauglich wäre. Der BFH lässt offen, ob in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen eine Anwendung des § 227 AO (Erlassantrag) in Betracht kommt, weil Sonder-BA nicht im Feststellungsverfahren geltend gemacht werden konnten. Nahezu identisch ist diese Entscheidung mit der Entscheidung vom selben Tag, veröffentlicht in BFH BFH/NV 1992, 154.

    ME ist diese Gültigkeit nur rein formalistisch und der Grund für diese restriktive Auslegung des § 180 Abs 1 Nr 2 AO nicht einsichtig...

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