Rn. 301

Stand: EL 172 – ET: 04/2024

Die Umqualifizierung der Tätigkeit des Besitzunternehmens von Vermögensverwaltung zu Gewerbe wurde früher gestützt auf den betriebswirtschaftlich motivierten Gedanken der Wirtschaftseinheit.

Die Vorstellung vom wirtschaftlich einheitlichen Unternehmen wurde als steuerlich maßgebliches Kriterium jedoch aufgegeben durch den Beschluss des GrS des BFH BStBl II 1972, 63 (hierzu s auch Groh, DB 1989, 748, 749; BFH BStBl II 1994, 466; 1992, 349), der die Existenz zweier, auch steuerlich getrennter, Unternehmen anerkannte, was wegen deren einheitlichem geschäftlichem Betätigungswillen mittels sachlicher und personeller Verflechtung zu dem angeblich dogmatisch verfestigten Rechtsgrund einer originär gewerblichen Tätigkeit des Besitzunternehmens gemäß § 15 Abs 1 S 1 Nr 1, Abs 2 EStG führt (so BFH vom 17.11.2020, I R 72/16, DStR 2021, 1149, Rz 27 und s Rn 303; BFH BStBl II 2002, 662; 1998, 478; 1989, 455; 1982, 662; 1957, 303

Zur in s Rn 303 näher dargestellten Grundentscheidung des BFH vom 17.11.2020 zwischen Monismus (einheitliches Unternehmen) und Dualismus (zwei getrennte Unternehmen) sowie den rechtlichen Ableitungen daraus, die sich nur im Akkord aller betroffenen BFH-Senate werden verstetigen lassen, Verweis auf die tiefgehende historische Analyse von Wacker, FR 2021, 521 zu III.

Die Umqualifizierung von Vermögensverwaltung zu originärer Gewerblichkeit führt bei Besitz-PersGes zur Anwendung der Abfärberegelung (§ 15 Abs 3 Nr 1 EStG; s Rn 153–157) auf eine, isoliert betrachtet, nur vermögensverwaltendeTätigkeit, sodass alle von der Besitz-PersGes ansonsten erzielten Einkünfte (im Urteilsfall hatte die Besitz-GbR ein Lager- und Verwaltungsgebäude teilweise an eine Betriebs-GmbH und teilweise an ein fremdes Unternehmen vermietet, Letzteres wäre, isoliert betrachtet, Vermögensverwaltung gewesen) in gewerbliche umqualifiziert werden und alle WG der Besitz-PersGes notwendiges (Sonder-)BV sind: BFH vom 29.11.2012, IV R 37/10, BFH/NV 2013, 910 Rz 41§ 15 Abs 3 Nr 1 EStG ist auch nicht in verfassungskonformer Auslegung etwa deshalb nicht anwendbar, weil ggf eine "Ausgliederung" der Vermietungstätigkeit an fremde Dritte auf eine beteiligungsidentische PersGes (s Rn 162a) nicht ohne Weiteres möglich ist.

Eine korrespondierende Bilanzierung kann somit eigentlich nicht gefordert werden, aber einschränkend s Rn 381 zur Bilanzierung von Substanzerhaltungsanspruch und -verpflichtung.

Nicht eigentlich denklogisch, aber in wertender Betrachtung zwingend erforderlich, die Merkmalsübertragung der GewSt-Befreiung und der InvZul-Erfordernisse von Betriebs-KapGes auf Besitz-PersGes, s Rn 303a (kritisch auch Crezelius, DB 2012, 651, 652).

Die zum Besitzunternehmen zählenden WG (hierzu s Rn 361 ff), insbesondere wertvoller Grundbesitz, gehören nicht zum – außerhalb von § 23 EStG steuerlich irrelevanten – PV, sondern sind steuerverhaftetes BV, ebenso die Anteile an der Betriebs-KapGes (notwendiges BV des Einzelunternehmens, s Rn 362, oder Sonder-BV II der Besitz-PersGes: s Rn 363). Die ertragsteuerliche Zuordnung eines Grundstücks zum BV eines gewerblichen Grundstückshandels hat zur Folge, dass es begünstigtes BV nach § 13a Abs 1 iVm § 13b Abs 1 und Abs 2 Nr 2 ErbStG sein kann, wenn es Bestandteil einer wirtschaftlichen Einheit ist und diese Eigenschaft auf den Erwerber übergeht (R E 13b.5 Abs 2 S 2 ErbStR 2019). Das begünstigte BV muss also im Zusammenhang mit dem Erwerb eines ganzen Gewerbebetriebs, eines Teilbetriebs oder einer Beteiligung an einer PersGes auf den Erwerber übergehen: R E 13b.5 Abs 3 S 1 ErbStR 2019, die isolierte Übertragung nur von Grundstücken ist weder im EStG noch im ErbStG steuerlich begünstigt. Die erbschaftsteuerlichen Folgen aus ertragsteuerlichen Rückwirkungen bei nachträglichem BV-Entfall oder nachträglicher Zuordnung von Grundstücken als BV des gewerblichen Grundstückhandels und sind sowohl in Verwaltung als auch in Rspr und Literatur noch nicht angesprochen, dazu s Kowanda, ErbStB 2022, 365.

Wegen der Gewerblichkeit des Besitzunternehmens unterliegen die Pachterlöse der GewSt, da die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr 1 S 2 GewStG nicht anwendbar ist, auch nicht bei kapitalistischer Betriebsaufspaltung (BFH vom 24.01.2012, BFH/NV 2012, 1176; BFH vom 22.01.2009, BFH/NV 2009, 1279; BFH vom 22.02.2005, BFH/NV 2005, 1624; BFH vom 29.03.1973, BStBl II 1973, 686), wird aber durch die Anrechnungsvorschrift des § 35 EStG nF betreffend die GewSt idR weitgehend ausgeglichen. Wegen der Vor- und Nachteile steuerlicher Art im Einzelnen s Rn 313 und 314.

Die Rechtsfolgen treten auch ein,

  • wenn ein Freiberufler (oder eine Freiberufler-GbR) einer von ihm beherrschten GmbH (zB ein Zahnarzt seiner Labor-GmbH) wesentliche Betriebsgrundlagen zur Nutzung überlässt bzw ein freiberuflicher Erfinder der diese Erfindung auswertenden GmbH Lizenzen überlässt: § 15 Abs 3 Nr 1 EStG und BFH BStBl II 1998, 254 sowie bestätigend BFH BFH/NV 2011, 1135; 1992, 415, oder
  • bei Nutzungsüberlassungen durch steuerbefreite Beru...

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