Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung. Gleichstellung. Schwerbehinderter. Sonderkündigungsschutz. Beginn. Betriebsratsanhörung. krankheitsbedingte Kündigung. Auflösungsantrag. Mobbingvorwurf. Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht generell durch Mobbingvorwurf des Arbeitnehmers begründet

 

Leitsatz (amtlich)

Wirft ein Arbeitnehmer seinem Vorgesetzten vor, er „mobbe” ihn durch übermäßige Belastund mit Arbeitsaufgaben, so ist dieses Verhalten nicht in jedem Fall geeignet, einen Auflösungsantrag des Arbeitgebers nach § 9 KSchG zu rechtfertigen. Je nach der Lage des Einzelfalles muss es vom Arbeitgeber hingenommen werden, dass der Arbeitnehmer, der zuvor vergeblich versucht hat, sein Anliegen vorzubringen, auf eine „härtere Gangart” umschaltet.

 

Normenkette

SGB IX §§ 81, 68, 85, 90 Abs. 2a; BetrVG § 102; KSchG §§ 1, 9

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Urteil vom 31.08.2006; Aktenzeichen 3 Ca 816 d/06)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 31.08.2006 – 3 Ca 816 d/06 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit einer Kündigung und damit im Zusammenhang stehend über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung.

Der Kläger ist am …1946 geboren und verheiratet. Er ist Dipl. Sozialpädagoge und war von 1991 bis 2001 Heimleiter in einem Wohnheim für behinderte Werkstattbeschäftigte in B.-K. (Bl. 117 d.A.). Bei dem Beklagten war er seit dem 1.10.2002 als Heimleiter zu einem Bruttomonatsgehalt von 3.500,– EUR beschäftigt. Anlass der Einstellung war die Aufteilung der Aufgaben der Heim- und Pflegedienstleitung auf 2 Personen. Bis dahin hatte diese Aufgaben die Mitarbeiterin St. alleine wahrgenommen. Diese wurde nach der Einstellung ausschließlich im Bereich der Pflegedienstleitung tätig. Die Aufgaben des Klägers ergeben sich aus der Stellenbeschreibung (Bl. 143 ff. d.A.). Danach ist die Heimleitung alleinverantwortlich für den nichtpflegerischen Bereich, u.a. Verwaltung, Hauswirtschaft und Gebäudeunterhaltung. Sie ist mitverantwortlich für die gesamte Betriebsführung de Hauses, arbeitet eng mit der Pflegedienstleitung zusammen und vertritt das Haus nach außen für ihren Bereich.

Der Kläger erstattete dem im Jahr 2004 neu eingestellten Geschäftsführer K. am 5.12.2004 einen Bericht zu Personalkosten und Kapazitätsauslastung (Bl. 34 d.A.) und äußerte sich diesem gegenüber zu Überstunden- und Personalbedarf erneut mit Schreiben vom 1.5.2005 (Bl. 38 d.A.). Hier führt er u.a. aus:

„Bis zum 30.03.2005 hatte ich 445 Überstunden, im April 2005 kamen sprunghaft 95,3 Überstunden hinzu, weil ich an 4 Tagen Herrn J. und an 10 Tagen Frau B. zusätzlich vertreten musste (anliegend übersende ich die Arbeitszeiten für April 2005) und keinen Zivildienstleistenden zur Verfügung hatte. Das entspricht einer Wochenstundenzahl von fast 65 Stunden. Hierbei sind betriebliche Fahrten und Korrespondenzen von zu Hause nicht einmal berücksichtigt.

Weil ich völlig überarbeitet und erschöpft bin, rät mir mein Arzt seit Monaten dringend zu einer Kur. Ich möchte aber zunächst meinen Urlaub einplanen, um mich etwas zu erholen. Während meiner fast dreijährigen Betriebszugehörigkeit hatte ich einen einzigen Krankheitstag. Die derzeitige Arbeitssituation ohne Zivildienstleistenden oder eine zusätzliche Kraft ist für mich nicht mehr tragbar.”

Der Kläger war seit dem 27.10.2005 wegen einer schweren depressiven Episode mit weiteren Einschränkungen wie Spannungskopfschmerzen arbeitsunfähig erkrankt. Deshalb befand er sich vom 31.10.2005 bis zum 23.11.2005 in stationärer Behandlung und anschließend bis 18.01.2006 in einer Reha-Maßnahme, aus der er arbeitsunfähig entlassen wurde (Bl. 31 d.A.). Während der Abwesenheit des Klägers wurden dessen Aufgaben von der Pflegedienstleitung übernommen, die auch schon zuvor elf Jahre lang die Pflegedienstleitung und die Heimleitung in Personalunion ausgeübt hatte. Eine Ersatzkraft wurde nicht eingestellt. Mit Schreiben vom 13.02.2006 bat der Beklagte den Kläger, ihm bis spätestens 28.02.2006 eine ärztliche Prognose zuzusenden, aus der hervorgehe, wann er voraussichtlich seinen Dienst wieder aufnehmen könne. Darüber hinaus bat er, mitzuteilen, ob der Kläger an der Durchführung eines „betrieblichen Eingliederungsmanagements” interessiert sei. Hierauf teilte der Kläger mit Schreiben vom 27.02.2006 mit, er habe am 01. und 09.03.2006 Termine bei seinen behandelnden Fachärzten und werde den Beklagten über die Beurteilung seiner Arbeitsunfähigkeit durch die Fachärzte in Kenntnis setzen. Am 31.03.2006 übersandte der Kläger eine bis zum 28.04.2006 ausgestellte ärztliche Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall endete im Dezember 2005. Als Zuschuss zum Krankengeld entstanden dem Beklagten bis zum Ausspruch der Kündigung am 18.4.2006 Kosten i.H.v. 2.538,36 EUR.

Mit Wirkung vom 02.02.2006 wurde bei dem Kläger ein Grad der Behinderung von 30% festgestellt. Am 13...

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