Entscheidungsstichwort (Thema)

Benachteiligung. Alter. Entschädigung. legitimes Ziel. Personalüberhang. Stellenpool

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein legitimes Ziel im Sinne von § 10 S. 1 AGG muss ein rechtmäßiges Ziel sein.

2. Bindet sich ein Arbeitgeber im Hinblick auf Ausnahmen von der Sozialauswahl bei Versetzungen zum Stellenpool durch Verwaltungsvorschriften selbst „Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur”), dann kann eine darüber hinausgehende Veränderung der Personalstruktur „Herbeiführung einer ausgewogenen Personalstruktur”) nicht rechtmäßig sein.

3. Selbst wenn die Herbeiführung einer ausgewogenen Personalstruktur grundsätzlich ein legitimes Ziel im Sinne von § 10 S. 1 AGG wäre, dann ist der Arbeitgeber dafür darlegungs- und beweispflichtig, wie die angestrebte Personalstruktur im Einzelfall aussehen soll, warum eine solche Personalstruktur ein legitimes Ziel darstellt und weswegen die ergriffenen Mittel angemessen und erforderlich im Sinne von § 10 AGG sind. Diese Darlegung ist dem beklagten Land hier nicht gelungen.

4. Benachteiligt ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer dadurch, dass er bei der Zuordnung zum Personalüberhang und bei der nachfolgenden Versetzung zum Stellenpool nur Arbeitnehmer berücksichtigt, die 40 Jahre und älter sind, dann rechtfertigt dies eine Entschädigung in Höhe von 1.000,– EUR.

5. Die Zuordnung zum Personalüberhang kann nicht isoliert mit einer Feststellungsklage angegriffen werden. Es fehlt ein Rechtschutzinteresse.

 

Normenkette

AGG § 15 Abs. 2 S. 1, § 7 Abs. 1, § 10 Abs. 1-2; ZPO § 256

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 25.04.2007; Aktenzeichen 86 Ca 23363/06)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 22.01.2009; Aktenzeichen 8 AZR 906/07)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 25.04.2007 – 86 Ca 23363/06 – teilweise abgeändert:

Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 1.000,– EUR (eintausend) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.04.2007 zu zahlen.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten der I. Instanz tragen die Klägerin zu 60 % und das beklagte Land zu 40 %. Von den Kosten der II. Instanz trägt die Klägerin 85 % und das beklagte Land 15 %.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten inzwischen nur noch darüber, ob das beklagte Land deswegen Entschädigungsansprüche an die Klägerin zu zahlen hat, weil diese wegen ihres Alters diskriminiert worden sein soll, und ob die Zuordnung zum Personalüberhang unwirksam war.

Die am … 1956 geborene Klägerin ist seit 1987 staatlich anerkannte Erzieherin. Sie war vor der Wiedervereinigung in Kindertagesstätten des Bezirks H. tätig. Insofern geht das beklagte Land von einer Beschäftigungszeit seit dem 14. Mai 1988 aus. Durch Arbeitsvertrag vom 21. März 2000 ist die Klägerin als Erzieherin vom Bezirksamt T. von Berlin übernommen worden. Das Bruttomonatsentgelt betrug zuletzt 2.396,14 EUR.

Nachdem die Kindertagesstätten den verschiedenen Eigenbetrieben des beklagten Landes zugeordnet wurden, gehörte die Klägerin zum „Kindergärten C. Eigenbetriebe von Berlin”. Dieser war zuständig für die Kitas der Bezirke Mitte einerseits und Friedrichshain-Kreuzberg andererseits. Von den dort beschäftigten 829 Erzieher/innen waren am 1. Oktober 2006 263 Personen bis 39 Jahre alt (31,7 %) und 566 Personen 40 Jahre alt und älter (68,3 %). Das Durchschnittsalter betrug 45 Jahre.

Mit dem „Gesetz zur Einrichtung eines Zentralen Personalüberhangmanagements (Stellenpool) (Stellenpoolgesetz – StPG)” vom 9. Dezember 2003 (GVBl. Berlin S. 589) (in Kraft getreten am 1. Januar 2004) bestimmt das beklagte Land das Zentrale Personalüberhangmanagement (Stellenpool) zu einer der Senatsverwaltung für F. nachgeordneten Behörde (§ 1 Abs. 1 S. 1 StPG). Nach § 1 Abs. 1 S. 2 StPG werden dieser diejenigen Dienstkräfte unterstellt, deren Beschäftigung durch den Wegfall von Aufgaben oder die Verlagerung von Aufgaben auf andere Dienstkräfte in ihrer Dienstbehörde nicht mehr möglich ist. Die Versetzung zum Stellenpool erfolgt nach § 1 Abs. 2 S. 3 StPG. Die Sozialauswahl bestimmt sich nach der Verwaltungsvorschrift über die Zuordnung von Beschäftigen zum Personalüberhang (VV Auswahl) vom 28.06.2005 (Dienstblatt des Senats von Berlin, Teil I, vom 05.08.2005, 57 ff.). Die Auswahl der Beschäftigten erfolgt gemäß § 6 stichtagsbezogen nach den Kriterien Lebensalter, Beschäftigungszeiten, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung, wobei jedem dieser Kriterien bestimmte Punkte zugeordnet werden. In § 5 Abs. 2 ist u. a. als Ausnahme festgelegt:

Eine Zuordnung zum Personalüberhang nach den in § 6 aufgeführten Auswahlkriterien findet nicht statt, wenn die Weiterbeschäftigung der Beschäftigten insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur (einschließlich der Ziele des § 3 Abs. 3 des Landesgleichstellungsgesetzes) im berechtigten betrieblichen Interesse liegt.

Durch Vermerk vom 26.10.2006 (Bl. 53 ff. d. A.) h...

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