Rz. 153

[Autor/Stand] Bei anderen Personen als dem Beschuldigten, also unverdächtigen Dritten und/oder Zeugen, sind Durchsuchungen nach § 103 Abs. 1 Satz 1 StPO nur zur Ergreifung des Beschuldigten oder zur Verfolgung von Spuren einer Straftat oder zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände und nur dann zulässig, wenn konkrete Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die gesuchte Person, Spur oder Sache sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet.[2] Aufgrund der Unverdächtigkeit des Anordnungsadressaten, der durch sein Verhalten auch aus Sicht der Ermittlungsbehörden in keiner Weise Anlass zu den Ermittlungsmaßnahmen gegeben hat, sind erhöhte Anforderungen an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu stellen.[3]

 

Rz. 154

[Autor/Stand] Die Ermittlungsbehörden müssen sich nach vereinzelt vertretenen Auffassungen grundsätzlich nicht unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit darauf verweisen lassen, bei Dritten um die Herausgabe von Gegenständen zu bitten, ohne eine (unangekündigte) Durchsuchung vornehmen zu können. Eine aus Verhältnismäßigkeitsgründen ableitbare Vorgabe gegenüber den Ermittlungsbehörden, der zufolge sie bei der Beweisunterdrückung nicht konkret verdächtigen Durchsuchungsadressaten zunächst eine Aufforderung um Vorlegung und Auslieferung vorzunehmen hätten, existiert nicht und ist auch im Fall der Durchsuchung bei Berufsgeheimnisträgern auf Gegenstände eines deren Dienste in Anspruch nehmenden Beschuldigten nicht anzunehmen.[5] Nach hier vertretener Ansicht ist jedoch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung dem Umstand Rechnung zu tragen, dass insb. Berufsgeheimnisträger, wie Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer i.d.R. kein eigenes Interesse daran haben, Beweismittel zurückzuhalten. Eine Abwendungsbefugnis ist daher in jedem Fall zu fordern.

 

Rz. 155

[Autor/Stand] Hinsichtlich der in Rede stehenden Berufsgruppen ist ergänzend die Regelung des § 160a StPO zu beachten. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Betroffene aus persönlichen Gründen oder aus haftungsrechtlichen Gesichtspunkten die Kooperation verweigert. Erst wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, der Betroffene werde einem gerichtlichen Herausgabebeschluss unter Androhung von vollstreckbaren Ungehorsamsfolgen nicht nachkommen, kann eine Durchsuchung angezeigt sein. Bis dahin ist das verpflichtende Herausgabeverlangen das geeignete, erforderliche aber auch ausreichende prozessuale Instrument.

 

Rz. 156

[Autor/Stand] Zur Nachtzeit dürfen gem. § 104 StPO die Wohnung, die Geschäftsräume und das befriedete Besitztum nur bei Verfolgung auf frischer Tat, bei Gefahr im Verzug oder dann durchsucht werden, wenn es sich um die Wiederergreifung eines entwichenen Gefangenen handelt oder wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass während der Durchsuchung auf ein elektronisches Speichermedium zugegriffen werden wird, das als Beweismittel in Betracht kommt, und ohne die Durchsuchung zur Nachtzeit die Auswertung des elektronischen Speichermediums, insb. in unverschlüsselter Form, aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Diese Beschränkung gilt nicht für Räume, die zur Nachtzeit jedermann zugänglich oder die der Polizei als Herbergen oder Versammlungsorte bestrafter Personen, als Niederlagen von Sachen, die mittels Straftaten erlangt sind, oder als Schlupfwinkel des Glücksspiels, des unerlaubten Betäubungsmittel- und Waffenhandels oder der Prostitution bekannt sind (bspw. auch Diskos und Bordelle). Die Nachtzeit umfasst nunmehr ausnahmslos den Zeitraum von neun Uhr abends bis sechs Uhr morgens (§ 104 Abs. 3 StPO). Ein willkürlicher Verstoß kann zu einem Beweisverwertungsverbot führen.[8] Die Durchsuchung nach § 103 StPO bei einer nicht verdächtigen Person, die durch ihr Verhalten auch aus Sicht der Ermittlungsbehörden in keiner Weise Anlass zu den Ermittlungsmaßnahmen gegeben hat, stellt besondere Anforderungen an die Prüfung der Verhältnismäßigkeit.[9]

 

Rz. 157

[Autor/Stand] Die Anordnung einer Durchsuchung bei unverdächtigen Personen wird – um das Steuergeheimnis des verdächtigen Stpfl. zu wahren – vielfach unter Nennung der gesetzlichen Vorschriften nur knapp damit begründet, es bestehe der Verdacht, das Steuern verkürzt wurden. Dies schränkt das Recht des betroffenen Dritten, den Eingriff in sein Grundrecht aus Art. 13 GG und die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs zu überprüfen, erheblich ein. Legt der Ermittlungsrichter aber entsprechend den verfassungsrechtlichen Anforderungen dar, auf welche Tatsachen der Verdacht gestützt wird und warum beim Unverdächtigen beweisrelevante Gegenstände gesucht werden, wird das Steuergeheimnis in zulässiger Weise durchbrochen, wenn gleichzeitig im Interesse des betroffenen Stpfl. keine unnötigen Sachverhaltsangaben publik werden[11]. Aufgrund der Offenbarungsbefugnis nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO dürfen dem Steuergeheimnis unterliegende Verhältnisse mitgeteilt werden, wenn dies der Durchführung eines Steuerstrafverfahrens (§ 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b AO) und damit der Rechtfertigung ...

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