a) Falsche oder unvollständige Erklärungen gegenüber Behörden

 

Rz. 211

[Autor/Stand] Die Tathandlung des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO besteht darin, dass der Täter unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gegenüber den FinB oder anderen Behörden macht. Dazu gehört etwa die falsche Behauptung, Computerteile würden exportiert (s. Rz. 110), die unvollständige Angabe von Umsätzen (s. Rz. 81), das Geltendmachen nicht entstandener Betriebsausgaben (Rz. 113.12, 237 ff.), die falsche Behauptung, man wohne im Ausland[2] bzw. die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung lägen vor[3], oder das teilweise Verschweigen von Einkünften (s. Rz. 115.2)[4]. Angaben können auch im Rahmen von Vollstreckungsverfahren, Einspruchs- und Klageverfahren, Selbstanzeigeverfahren sowie Außenprüfungsverfahren tatbestandsmäßig sein; insbesondere kann eine Steuerhinterziehung auch durch unrichtige oder unvollständige Angaben im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung begangen werden[5]. Im Erhebungs- und Beitreibungsverfahren können bspw. unrichtige Angaben zu den Vermögensverhältnissen im Rahmen von Stundungs- und Erlassanträgen gemacht werden[6].

Das Machen von Angaben setzt einen Kommunikationsakt voraus, so dass bspw. die Manipulation eines Gegenstandes zur Täuschung der FinB nicht unter § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO fällt[7]. Im Ergebnis ist es dabei zunächst gleichgültig, ob man diese Tathandlung als Täuschung i.S.d. § 263 StGB bezeichnet oder nicht[8] (zur Problematik der Zurechnung des Hinterziehungserfolgs s. Rz. 570 ff.). Geht man davon aus, dass schon aus dem Begriff der Täuschung folgt, dass der Täter subjektiv ein entsprechendes Täuschungsziel verfolgen muss, wäre eine solche Definition für § 370 AO irreführend und verfehlt, da der Fahrlässigkeitstatbestand des § 378 AO Täuschungsabsicht nicht voraussetzen kann, sondern unstreitig die leichtfertige Abgabe falscher oder unvollständiger Angaben erfasst. Zudem lässt sich der Wortlaut des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO ganz unproblematisch rein objektiv verstehen, so dass es zunächst nur darauf ankommt, ob objektiv unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht werden, ohne dass die Ziele des Täters relevant wären.

 

Beispiel

nach BGH[9] (s. Rz. 111 f.): Der Angeklagte ließ unversteuerte und unverzollte Zigaretten unter Tarnwaren verborgen in Containern von Zypern über die Bundesrepublik nach Tschechien befördern. Mit dem Transport beauftragte er Spediteure, die gutgläubig die in den Frachtpapieren ausschließlich ausgewiesene Containerware ohne die Zigaretten zum gemeinschaftlichen Versandverfahren anmeldeten.

Sind die Spediteure gutgläubig, machen sie zwar unrichtige Angaben, der Vorsatz fehlt aber. Dem Angeklagten können die Falschangaben der Spediteure als mittelbarer Täter über § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB zugerechnet werden[10] (s. Rz. 112).

[Autor/Stand] Autor: Ransiek, Stand: 01.08.2023
[2] Krumm in Tipke/Kruse, § 370 AO Rz. 44.
[3] Jäger in Klein16, § 370 AO Rz. 415.
[4] Weitere Beispiele bei Krumm in Tipke/Kruse, § 370 AO Rz. 44 ff.
[5] Rolletschke in Graf/Jäger/Wittig2, § 370 AO Rz. 46 ff.
[6] Krumm in Tipke/Kruse, § 370 AO Rz. 43.
[7] Schmitz/Wulf in MünchKomm/StGB4, § 370 AO Rz. 238.
[8] Für diese Deutung Peters in HHSp., § 370 AO Rz. 125 ff.; Grötsch in JJR9, § 370 AO Rz. 184 ff.; a.A. Schott in Hüls/Reichling2, § 370 AO Rz. 60.
[9] Nach BGH v. 27.11.2002 – 5 StR 127/02, wistra 2003, 266 m. Anm. Weidemann, wistra 2003, 241; s. dazu auch die Anm. von Bender zu LG Hamburg v. 20.3.2000 – 618 KLs 8/99, wistra 2001, 68 f.; s. jetzt BGH v. 1.2.2007 – 5 StR 372/06, wistra 2007, 224.
[10] BGH v. 27.11.2002 – 5 StR 127/02, wistra 2003, 266; BGH v. 1.2.2007 – 5 StR 372/06, wistra 2007, 224.

b) Angaben machen

aa) Erklärung gegenüber der Behörde

 

Rz. 212

[Autor/Stand] Eine Angabe i.S.d. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO macht derjenige, dem die Erklärung über steuerlich erhebliche Tatsachen inhaltlich zuzurechnen und der als ihr Urheber anzusehen ist (s. Rz. 107.1 ff.). Es reicht nicht aus, wenn jemand eine fremde Erklärung als Bote eines anderen überbringt (s. Rz. 107.2) oder die Erklärung für einen anderen inhaltlich vorbereitet (s. Rz. 107.4). Nicht erforderlich ist, dass der Täter selbst als Urheber der Erklärung erkennbar ist (s. Rz. 107.5)[2]. Zur Verantwortung von Ehegatten bei der Zusammenveranlagung und Mitunterzeichnung der Steuerklärung s. Rz. 115 ff. Zur Strafbarkeit des steuerlichen Beraters als Täter einer Steuerhinterziehung s. Rz. 108 ff., 114 ff.

 

Rz. 213

[Autor/Stand] Die Erklärung muss der jeweiligen Behörde zugänglich gemacht werden. Eine unrichtige Verbuchung von Geschäftsvorfällen ist folglich keine Angabe, da sie nicht gegenüber den Behörden erfolgt (s. Rz. 1205). Die Erklärung kann schriftlich, mündlich (z.B. in einer Außenprüfung) oder durch sonstige Zeichen (s. Rz. 219) erfolgen[4]. In der Praxis werden Erklärungen über steuerlich erhebliche Tatsachen häufig in gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärungen (§§ 149 ff. AO), per Datenübertragung (vgl. § 150 Abs. 6 AO) oder im Online-Verfahren via Elster erfolgen[5]. Die Erklärung umfasst den gesamten Äußerungsinhalt. Dazu gehört auch das, w...

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