Leitsatz

Ein volljähriges Kind unter 25 Jahren, das ein Praktikum nach Abschluss einer Berufsausbildung absolviert, wird nur dann berücksichtigt, wenn es sich bei dem Praktikum um ein solches mit Ausbildungscharakter handelt, nicht dagegen, wenn dies eher ein gering bezahltes Arbeitsverhältnis ist.

 

Sachverhalt

Die im Jahr 1987 geborene Tochter der Klägerin hat bis Juli 2008 eine schulische Ausbildung zur staatlich geprüften Grafikdesignerin absolviert und hiermit die Fachhochschulreife erreicht. Im Antrag auf Weitergewährung des Kindergeldes teilte die Klägerin der Familienkasse mit, dass die Tochter vom 13.10.2008 bis 30.9.2009 unentgeltlich ein Praktikum bei einer Agentur für Kommunikation & Werbung absolviere. Die Familienkasse lehnte die Gewährung von Kindergeld ab April 2009 ab, da die Berücksichtigung eines Praktikums als Ausbildung auf maximal 6 Monate begrenzt und im Streitfall ein konkretes Berufsziel nicht genannt sei.

 

Entscheidung

Nach Auffassung des FG fehlt es ab April 2009 an einem Tatbestand, auf Grund dessen die Tochter als Kind zu berücksichtigen ist. Insbesondere befand sich die Tochter nicht mehr in Ausbildung i. S. des § 32 Abs. 4 Nr. 2a EStG. Nach der neueren Rechtsprechung des BFH muss die Betätigung des Kindes zwar nicht mehr zwingend in einer Ausbildungs- und Studienordnung vorgeschrieben sein und die Ausbildung auch nicht mehr überwiegend die Zeit und die Arbeitskraft des Kindes in Anspruch nehmen. Aus dem Wortlaut des § 32 Abs. 4 Nr. 2a EStG"für einen Beruf ausgebildet" ist jedoch zu folgern, dass die Tätigkeit der Erlangung der angestrebten beruflichen Qualifikation dienen muss. Dabei kommt es nicht auf die von den Beteiligten gewählte Bezeichnung als "Trainee", "Praktikum" oder "Schulung" an. Ausschlaggebend ist allein der Charakter der Maßnahme. Da die Klägerin im Streitfall nicht dargelegt hat, dass während des "Praktikums" die Ausbildung der Tochter im Vordergrund stand, hat die Familienkasse zu Recht ab April 2009 kein Kindergeld mehr gewährt.

 

Hinweis

Das rechtskräftige Urteil des FG zeigt, dass ein über die Zeit von 6 Monaten hinaus gehendes Praktikum nur dann als Berufsausbildung i. S. des § 32 Abs. 4 Nr. 2a EStG anerkannt wird, wenn der Ausbildungscharakter des Praktikums eindeutig überwiegt. Aus Gründen der Beweisvorsorge ist es daher ratsam, konkrete Nachweise darüber, welche im Rahmen einer Ausbildung notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt worden sind, zu besorgen.

 

Link zur Entscheidung

FG Münster, Urteil vom 01.06.2011, 11 K 4118/09 Kg

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