Leitsatz

Im Fall der Einbringung eines (Teil-)Betriebs oder Mitunternehmeranteils i.S.d. § 20 UmwStG 1995 kann das aufnehmende Unternehmen weder durch Anfechtungs- noch durch Feststellungsklage geltend machen, die seiner Steuerfestsetzung zugrunde gelegten Werte des eingebrachten Vermögens seien zu hoch. Ein solches Begehren kann nur der Einbringende im Wege der sog. Drittanfechtung durchsetzen.

 

Normenkette

§ 20 Abs. 4 Satz 1 UmwStG 1995, § 40 Abs. 2, § 41 FGO, Art. 19 Abs. 4 GG

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH, deren sämtliche Geschäftsanteile im Streitjahr 2004 von D gehalten wurden. D betrieb zu Beginn des Streitjahrs zugleich als Einzelunternehmer die Betriebe A in X und B in Y. Zwischen A und der Klägerin bestand eine Betriebsaufspaltung.

Im Zuge der Erhöhung des Stammkapitals der Klägerin brachte D die beiden Einzelunternehmen auf den 1.1.2004 in die Klägerin ein. Die Einbringung erfolgte zu den in einer Einbringungsbilanz enthaltenen Buchwerten. Danach beliefen sich der Wert der A auf rd. ./. 1 Mio. EUR und der Wert der B auf rd. 1,5 Mio. EUR.

Das FA nahm an, dass bei der A Aktiva i.H.v. rd. 1,5 Mio. EUR und Passiva i.H.v. rd. 2,5 Mio. EUR eingebracht worden seien. Deshalb seien bei A stille Reserven i.H.v. rd. 1 Mio. EUR aufzudecken und dementsprechend bei der Klägerin zusätzliche Abschreibungen i.H.v. rd. 50.000 EUR zu berücksichtigen. Auf dieser Basis setzte das FA gegenüber der Klägerin für das Streitjahr die KSt gegen die Klägerin fest.

Die deshalb erhobene Klage hatte Erfolg (Sächsisches FG, Urteil vom 28.7.2010, 2 K 322/10, Haufe-Index 2602431). Zwar habe D zwei Betriebe in die Klägerin eingebracht und sei bei mehreren Sacheinlagen die Frage einer Aufstockung gem. § 20 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 1995 für jeden Einlagegegenstand gesondert zu prüfen. Das gelte aber nicht, wenn dieselbe Person mehrere Sacheinlagegegenstände in einem einheitlichen Vorgang übertrage. Das sei im Streitfall geschehen, weshalb im Zusammenhang mit § 20 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 1995 das negative Kapitalkonto des einen mit dem positiven Kapitalkonto des anderen Betriebs verrechnet werden könne.

 

Entscheidung

Der BFH hob das Urteil der Vorinstanz auf. Ausschlaggebend war für ihn aber nicht die eigentlich streitige Rechtsfrage, sondern die Frage der Klagebefugnis: Die Klägerin als "Zielgesellschaft" der Einbringungsvorgänge sei durch die Wertansätze gar nicht beschwert. Im Gegenteil: Ihr kämen dadurch deutlich höhere Abschreibungen zugute. Deswegen stehe ihr weder ein eigenes Recht auf Erhebung einer Anfechtungsklage noch auf Feststellung "falscher" Werte zu. Nachteilig seien die Wertansätze lediglich für A. Und deswegen dürfe dieser als – bezogen auf die Klägerin – "Drittbetroffener" auch (ausnahmsweise) gegen den "Fremd-Steuerbescheid" Klage erheben, wolle er ereichen, dass die fraglichen Werte anderweitig angesetzt werden.

 

Hinweis

"Eigentlich" wurde zu diesem Urteil erst jüngst schon einiges, wenn nicht alles gesagt, nämlich in den Praxis-Hinweisen in BFH/PR 2011, 396 zum Urteil vom 20.4.2011, I R 97/10 (BFH/NV 2011, 1789). Darauf ist vorrangig zu verweisen. Darüber hinaus bleibt anzumerken:

1. Werden Anteile an einer Kapitalgesellschaft in eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft eingebracht und erlangt die übernehmende Gesellschaft dadurch die Mehrheit der Stimmrechte an der Gesellschaft (§ 20 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 UmwStG 1995), darf die übernehmende Kapitalgesellschaft die eingebrachten Anteile mit dem Buchwert oder einem höheren Wert ansetzen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 1995). Sie hat ein Wahlrecht, wobei die Obergrenze der Teilwert der eingebrachten Wirtschaftsgüter bildet (§ 20 Abs. 2 Satz 6 UmwStG 1995).

Der Wert, mit dem die Kapitalgesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen ansetzt, gilt für den Einbringenden wiederum als Veräußerungspreis und als Anschaffungskosten der Gesellschaftsanteile (§ 20 Abs. 4 Satz 1 UmwStG 1995). Ein Wahlrecht des Einbringenden besteht nicht.

2. Dazu hat der BFH vielfach entschieden:

Die in § 20 Abs. 2 UmwStG 1995 angeordnete Bindungswirkung ist "absolut". Sie greift "unmittelbar" in materieller Hinsicht, was bedeutet, dass sowohl der erstmalige Wertansatz bei der übernehmenden Gesellschaft ebenso wie eine später vorgenommene Wertkorrektur auf den Übertragenden durchschlägt.

Eine andere Beurteilung mag nur zum Zuge kommen, wenn die übernehmende Kapitalgesellschaft entgegen den gesetzlichen Vorgaben in § 20 Abs. 2 Satz 6 UmwStG 1995 offenkundig und willkürlich höhere Werte als die Teilwerte ansetzt, konnte der BFH offenlassen, weil über einen solchen Fall nicht zu befinden war. Bei evidentem Auseinanderklaffen der Wertpositionen wird das aber wohl zu bejahen sein.

3. Der gesetzlich bestimmte materielle Bindungsmechanismus hat zur Konsequenz – und das ist die Kernaussage des Besprechungsurteils –, dass erstens die Wertfestsetzung bei der übernehmenden Gesellschaft formal auf den Einbringenden "überspringt" und zweitens der Übertragende sich in die Wertfestsetzung durch den Übernehm...

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