Leitsatz

1. Vermindert sich der Umfang der betrieblichen Nutzung eines Kfz, das dem gewillkürten Betriebsvermögen eines Unternehmens in einem früheren Veranlagungszeitraum wegen einer mehr als 10 %igen betrieblichen Nutzung zugeordnet wurde, in einem Folgejahr auf unter 10 %, so ändert dies an der Zuordnung zum gewillkürten Betriebsvermögen nichts, weil eine solche Nutzungsänderung allein keine Entnahme darstellt.

2. Der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung schließt die Bildung eines Vertrauenstatbestands aus, der über die im Steuerbescheid für ein Veranlagungsjahr zugrunde gelegte Entscheidung hinausgeht (Anschluss an Beschluss des BVerfG vom 28.6.1993, 1 BvR 1346/89, HFR 1993, 544 und BFH, Urteil vom 14.10.2009, X R 37/07, BFH/NV 2010, 406).

3. Die Würdigung eines Sachverhalts durch das FA in früheren Veranlagungszeiträumen kann nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung stets nur auf diese Zeiträume bezogen werden; die aus einer solchen Würdigung für die Zukunft gezogenen Schlüsse auch hinsichtlich der Notwendigkeit einer Beweisvorsorge für künftige Veranlagungszeiträume sind grundsätzlich allein der Verantwortungssphäre des Steuerpflichtigen zuzurechnen (Anschluss an BFH, Beschlüsse vom 2.8.2004, IX B 41/04, BFH/NV 2005, 68; vom 8.6.2006, IX B 121/05, BFH/NV 2006, 1655).

 

Normenkette

§ 4 Abs. 1, Abs. 3 und 4, § 6 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 2 und 3, § 25 Abs. 1 EStG, § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO

 

Sachverhalt

Ein Freiberufler, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelte, machte jeweils Aufwendungen für ein Zweitfahrzeug als Betriebsausgaben geltend, und zwar für ein bereits in den Vorjahren im gewillkürten Betriebsvermögen geführtes Fahrzeug und – nachdem dieses veräußert worden war – für ein im Streitjahr angeschafftes weiteres Fahrzeug.

Das FA verneinte für beide Fahrzeuge die Zugehörigkeit zum gewillkürten Betriebsvermögen, weil der Kläger sie zu weniger als 10 % betrieblich genutzt habe.

Die Klage blieb erfolglos (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.9.2010, 6 K 2286/08, Haufe-Index 2685283, EFG 2011, 1311).

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück. Zwar habe das FG zu Recht die Zugehörigkeit des im Streitjahr angeschafften Fahrzeugs zum gewillkürten Betriebsvermögen verneint, weil der Kläger es nach den bindenden Feststellungen des FG zu weniger als 10 % betrieblich genutzt habe.

Für das bereits in den Vorjahren im gewillkürten Betriebsvermögen geführte Fahrzeug reiche die Begründung des FG zur Klageabweisung indessen nicht aus. Eine Verringerung der betrieblichen Nutzung auf unter 10 % reiche für sich allein nicht aus, um von einer Entnahme auszugehen. Das FG müsse daher prüfen, ob das Fahrzeug in den Vorjahren zu Recht in das gewillkürte Betriebsvermögen aufgenommen worden sei. Die Bestandskraft der Veranlagungen der Vorjahre sei insoweit unerheblich; sie begründe keinen Vertrauenstatbestand für den Kläger.

 

Hinweis

1. Im Fall der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG kann gewillkürtes Betriebsvermögen gebildet werden, wenn das Wirtschaftsgut zu mindestens 10 % betrieblich genutzt wird und dessen Zuordnung unmissverständlich, zeitnah und unumkehrbar dokumentiert wird.

So kann die zeitnahe Aufnahme des erworbenen Wirtschaftsguts in das betriebliche Bestandsverzeichnis (R 31 Abs. 1 EStR) ausreichen und sich im Falle einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG sogar anbieten.

2. Gehört ein Wirtschaftsgut nach diesen Grundsätzen zum gewillkürten Betriebsvermögen, so verliert es diese Eigenschaft nur durch eine Entnahme, die einen Entnahmewillen und eine Entnahmehandlung erfordert. Es muss sich um ein Verhalten handeln, das nach außen den Willen des Steuerpflichtigen erkennen lässt, ein Wirtschaftsgut nicht (mehr) für betriebliche Zwecke im betrieblichen Bereich, sondern für private Zwecke im privaten Bereich zu nutzen.

3. Eine solche Entnahmeerklärung kann auch in einem schlüssigen Verhalten liegen, durch das die Verknüpfung des Wirtschaftsguts mit dem Betriebsvermögen erkennbar gelöst wird. Dazu muss der Steuerpflichtige die sich aus der Entnahme ergebenden Folgerungen ziehen und regelmäßig den Gewinn aus der Entnahme des Wirtschaftsguts erklären. Im Übrigen muss sich die bisherige Nutzung des Wirtschaftsguts auf Dauer so ändern, dass es seine Beziehung zum Betrieb verliert und dadurch zu notwendigem Privatvermögen wird. Eine Nutzungsänderung führt allein grundsätzlich nicht zu einer Entnahme kraft schlüssigen Verhaltens.

4. War das Wirtschaftsgut in den Vorjahren im Betriebsvermögen geführt worden und sind die entsprechenden Veranlagungen bestandkräftig, so ist die Zuordnung zum gewillkürten Betriebsvermögen nicht schon aufgrund der Bestandskraft der Vorjahresveranlagungen oder aus Gründen des Vertrauensschutzes mit Wirkung für die Zukunft anzunehmen.

Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung muss das FA in jedem VZ die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut prüfen und rechtlich würdigen. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung muss es zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufge...

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